Fragen an den Petitionsausschuss – September 2022

9. Oktober 2022 by Karin

Eine Woche später wurden wir gebeten, unsere unbeantworteten Fragen zusammenfassend an den Petitionsausschuss zu senden.

Dies sind die Themen, zu denen wir eine Stellungnahme erwarten. Wir erlaubten es uns, Hinweise zu Quellen zu geben und unsere Sicht auf die Problemlage deutlich zu machen (kursiv).

Sitzung des Petitionsausschusses am 9. September 2022 – Aktenzeichen: L 20/520

Aus dem Antwortschreiben der Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau vom 08. August 2022 geht hervor, welche Schritte bereits umgesetzt wurden bzw werden.

Mehrere Punkte, die in dem Antwortschreiben genannt wurden, erschlossen sich nicht und konnten auf der Sitzung auch nicht bantwortet werden.

Um welche ‘Beleuchtungspflicht’ handelt es sich?

In Deutschland besteht keine allgemeine Beleuchtungspflicht im öffentlichen Raum. Ausnahmen bilden Fußgängerüberwege (nach §26 StVO ist Beleuchtung eine Voraussetzung zu deren Errichtung). Da Verkehrsmittel mit einer Beleuchtung ausgestattet sind, dürfte eine Gehwegbeleuchtung oftmals ausreichend sein. Aus der Verkehrssicherungspflicht folgt keine allgemeine, flächendeckende und dauerhafte Beleuchtungspflicht. Grundsätzlich und bei Vorliegen einer konkreten Gefahrenstelle sollten zunächst Alternativen ohne zusätzliche Beleuchtung geprüft werden wie z.B. bauliche Maßnahmen oder passive Schutzmaßnahmen, wie die Erwägung möglicher Wegalternative und baulicher Anpassung,

Wie wurden die ‘Anliegerwünsche’ ermittelt?

Öffentlichtkeitsarbeit zum Thema ALAN ist uns in Bremen nicht bekannt. Dies wird z.Z. von der Dark Sky Nord ehrenamtlich geleistet.

Um welche bei der Beleuchtungsplanung angeführten ‘technischen und politischen Vorgaben’ handelt es sich?

Wiederum wurde eine ‘DIN-Konformität’ genannt, ohne dass die DIN definiert wurde. Um welche DIN handelt es sich? – In diesem Zusammenhang wurde die Aufrechterhaltung der ‘Verkehrssicherheit’ angeführt.

Für die Planung der Straßenbeleuchtung werden oft Normen herangezogen, die jedoch als Industrienorm DIN EN 13201 keine gesetzliche Regelung darstellen, und weder Beleuchtung einfordern noch Reduzierungen und Abschaltungen ausschließen. Besonders bei zu hoch angelegten Ansprüchen an Gleichmäßigkeit kann normgerechte Beleuchtung zu einer Steigerung des Beleuchtungsniveaus führen. Da Zeiten hoher Verkehrsfrequenz andere Leuchtdichten/Beleuchtungsstärken als späte Abendstunden erfordern und sowohl die Neufassung der DIN 13201-1 als auch die Förderstellen bei Inanspruchnahme öffentlicher Mittel die Anpassung der Beleuchtung an unterschiedliche Verkehrsdichten vorsehen, sind deutliche Reduzierungen bis hin zur Abschaltung anzustreben, um eine energie- und ressourcensparende Anwendung der Norm zu gewährleisten. – Auf der B 75 und der Huchtinger Heerstraße hat die Umrüstung auf 3000 Kelvin LEDs zu Blendung geführt und ist der Verkehrssicherheit eher abträglich.

Grünanlagen: hier wurde behauptet, dass in ‘gering frequentierte Grünanlagen und Wege’ Beleuchtungsreduzierungen vorgenommen werden und dass ‘grundsätzlich sollen in Bremen Wege in Grünanlagen nicht beleuchtet werden’. Wie wurde dies ermittelt?

Der Bremer Bürgerpark ist teilweise beleuchtet und auch am Knoops Park wurden sogar Beleuchtungskörper mit 4000 Kelvin gemessen. Ob und wann gemessen wurde, wie viel die Grünanlagen frequentiert werden, konnte nicht beantwortet werden.

Auch gibt es seit Juni 2021 den § 41a des Bundesnaturschutzgesetzes. Wie wird dem jetzt schon entsprochen, gerade auch in aquatischen Bereichen (Weser)?

Seit 2020 werden in Bremen ausschließlich LED-Leuchten mit einer Lichtfarbe von maximal 3000 Kelvin eingesetzt. Gibt es ein Kataster, dass die Beleuchtungsverteilung dokumentiert und die ‘Notwendigkeit’ die hohe Farbtemperatur einzusetzen, rechtfertigt? Wo wird weniger – z. B. Amber – eingesetzt?

Der Blauanteil ist bei LEDs mit 3000 Kelvin zu hoch. Insekten reagieren empfindlich auf kurzwelliges Licht (von blau bis grün, einige reagieren sogar auf den roten Bereich des Spektrums) in der Nacht, weshalb es deutlich zu reduzieren ist, weil es in die Morgenstunden gehört. Deshalb muss der Begriff ‚insektenfreundlich‘ infrage gestellt werden, denn das sensitive Stadium der Insekten kann bis zu ca 550 nm reichen. Die drei Parameter: Beleuchtungsstärke, Lichtgeometrie und Lichtfarbe müssen immer zusammenspielen, wenn ein effektiver Insektenschutz angestrebt wird. Deshalb ist eine Abkehr von 3000 Kelvin anzustreben und zu Lichtfarben, die im Amber liegen vorzuziehen (Einsatz von Filtern – Rosco) bzw die Beleuchtung ganz auszuschalten (Lichtmasten mit der roten Kennzeichnung.

Immer wieder wird gern auf die ‘öffentliche Sicherheit und Ordnung’ verwiesen, die angeblich nur durch hohe Lichtintensitäten und Farbtemperaturen erzielt werden kann. Angeblich gibt es Befragungen, so wurde während der Diskussion behauptet, die belegen sollen, dass ‘mehr Licht’ mit ‘mehr Sicherheit’ gleichzusetzen sei und dass besonders Frauen dieses einfordern. Wann und in welcher Form haben diese Befragungen stattgefunden? Wir bitten um Angabe der Quellenlage. Auch inwiefern Kriminalstatistiken hinzugezogen wurden.

Da es keine Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Lichtverschmutzung in Bremen gibt, soweit es den Mitgliedern der Dark Sky Nord bekannt ist, müssen solche Aussagen angezweifelt werden. Viele Untersuchungen z. B. auch der Kriminologin Dunja Storp nennen andere Ergebnisse.

Bei den folgenden Erläuterungen und Quellen beziehe ich mich auf Sabine Frank vom Biosphärenreservat Rhön. > Ein Zusammenhang zwischen Licht und Sicherheit (=weniger Kriminalität bzw. Verkehrsunfälle) ist nicht nachgewiesen: siehe Polizeistatistiken, siehe Untersuchungen wie http://jech.bmj.com/content/early/2015/07/08/jech-2015-206012.full; siehe Kommunen, die seit vielen Jahren die Beleuchtung abschalten wie z.B. Staufenberg, Ebersburg, Buseck, Tann (Rhön). In Frankreich schalten 1/3 aller Kommunen die öffentliche Beleuchtung nachts selbstverständlich ab! Die Planungsgruppe Stadt und Verkehr (FGS) für das Berliner Lichtkonzept (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2011 kam zu dem Ergebnis “Öffentliche Beleuchtung, soziale und öffentliche Sicherheit gehen nicht wie erwartet zusammen. Dunkle Orte weisen nicht mehr Zwischenfälle auf als hell beleuchtete, obwohl das Gefühl etwas anderes sagt.” FSG Berlin https://www.fgsberlin.de/projekt-verkehrsforschung-einzelansicht/verkehrsforschung-beleuchtung-und-sicherheit. Auch die im August 2022 erschienene Publikation „Kriminalitätsfurcht und wahrgenommene Kriminalitätsentwicklung“ des  Zentrum für kriminologische Forschung Sachsen e.V. (TU Chemnitz) W1_PaWaKS_Kriminalitaetsfurcht.pdf (zkfs.de) kommt zu dem Schluss, dass „kein Zusammenhang zwischen tatsächlicher Kriminalitätsentwicklung und der subjektiven Wahrnehmung der Kriminalitätsentwicklung“ besteht und statuiert, dass „eine erhöhte Kriminalitätsfurcht mit hohen individuellen und gesellschaftlichen Kosten verbunden ist positiv mit Verschwörungsmentalität oder einem individuell gesteigerten Schutz- und Vermeidungsverhalten korreliert“. Als Ursache wird des Weiteren der Medienkonsum (Krimis) angeführt. In gleicher Publikation finden Sie den Verweis zur Polizeistatistik und Informationen zu Kriminalitätszahlen, die seit Jahren im Bereich der Gewalt im öffentlichen Bereich rückläufig sind. Auch Einbrüche sind seit Jahren rückläufig.

Deshalb können wir zusammenfassen, dass Angstgefühle sich grundsätzlich bei Aufenthalten allein außerhalb der sozialen Kontrolle einstellen. Der abgelegene Waldweg am Tag unterscheidet sich dabei nicht von Wegen bei Nacht, ob beleuchtet oder nicht. Hier kommt zum Tragen, dass man sich schutzlos fühlt. Schon zu Zweit reduziert sich das unangenehme Gefühl, ob am Tage oder in der Nacht. Es wird fälschlicherweise nicht unterschieden zwischen Sicherheit und Schutz. Licht kann Sicherheit suggerieren, wo gar kein Schutz vorhanden ist, da man in Bereiche außerhalb der sozialen Kontrolle „gelockt“ wird. Kunstlicht kann „Laufstegeffekte“ hervorrufen. D.h., man läuft in einem Lichttunnel (rechts und links ist die Sehfähigkeit durch starke Kontraste herabgesenkt). Dies ist besonders der Fall z.B. bei mitlaufendem Licht oder zu hellen Lichtquellen in sonst dunklerer Umgebung. Von Gewalt im öffentlichen Raum sind hauptsächlich Männer betroffen (Alkohol?!). Frauen erleiden Gewalt größtenteils im Privatbereich.

Laut TAB-Bericht gibt es mehr Unfälle durch Kollisionen mit Leuchtenmasten als ohne Licht.

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