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Monthly Archive for August, 2022

Es war ein angenehm kühler Abend.

Es war ein normaler Tag. Er war ein normaler Mensch an einem normalen Tag.

Der Wecker hatte zuverlässig um 06:30 Uhr geklingelt. Das blaue Handtuch hing frisch immer freitags aus dem Wäschetrockner auf seiner Seite, links. Rechts war ihre Seite, das Handtuch altrosa. Der Vormittag verlief regelmäßig. Nach dem Frühstück in Begleitung des Hausfrauensenders, nur ein gekochtes Ei zu Brot, Butter und Marmelade, Erdbeere, manchmal auch Kirsche, selten, und Tageszeitung lesen, einkaufen, auf das Mittagessen warten, Mittag essen, auf den Kaffee warten, dabei das Auto waschen oder irgendwas mit Auto oder Garage, Kaffee trinken, auf das Abendbrot warten, dabei mit dem Nachbarn rechts Recht haben oder dem Nachbarn links dessen falsche Meinung klar machen, Abendbrot essen.

Nach einem langen Tag des Regelmäßigen stand er vom heimatlichen, einem karobetischdeckten Küchentisch auf und befand es befriedigend, dass dieser Teil des normalen Tages wieder mal ein Ende gefunden hatte. Wie jeden Tag.

Er schielte verstohlen auf das Magazin, das auf dem Stuhl neben ihm lag. Er sah das Bild auf der Titelseite an. Es elektrisierte ihn und er wünschte sich, das live zu erleben, direkt.

Sie mochte das nicht.

Sie sagte, dass sie es nicht gern am Küchentisch sähe.

Es störe sie.

Er wusste es.

Männersache. Sie habe keinerlei Beziehung dazu.

Er schon. 

Sie interessiere sich nun wirklich nicht für solche Dinge. Sie habe es noch nie getan und dass wisse er doch.

Er wusste es.

Außerdem mache es keinen Sinn und es würde niemandem helfen, bei all den hungernden Menschen auf dieser Welt. Und es kostete viel, zu viel Geld.

Es kostete.

Der Abend versprach angenehm erfrischend zu werden. Sie war ins Wohnzimmer gegangen, telefonierte mit einer Freundin. Er hörte es am Singsang ihrer Stimme und dem zu erwartenden Auflachen, dass er einmal an ihr erfrischend fand. Er erinnerte sich. Kurz. Der Abend war kühl und nur er war erfrischend. Nach dem Auflachen kamen normalerweise kurze Fragen mit kurzen Antworten.

Sie kamen.

Dann ein ‘Ach’, ein ‘Ja, Ja, wie immer’, ein ‘Was soll’s’.

Die Brise, die ins Zimmer kam, war erfrischend. Sie blätterte einige Seiten in der Zeitschrift um.

Er bemerkte sie.

Er griff zum Magazin, liebevoll und aufgeregt. Seine Hände waren verschwitzt, sein Daumen und zwei andere Finger hinterließen eine Art Fettfleck. Er wischte sie mit flinken Hinundherbewegungen an seiner Hose ab. Ein wenig zu groß, aus den Achtzigern. Am Bund eng, Ja, doch, schon. Er ging zur Küchentür, das Magazin unter eine Achsel geklemmt, einen Becher mit Karokaffee mit einem Löffel Zucker, nur wenig Milch, in der Hand, die zur Achsel gehörte. Also, ganz normal. Er sah sich um. Er meinte, sie bliebe zurück auf dem Küchentisch, vielleicht zwischen den Karos. Eingeklemmt? Eingedöst vor der Normalität.

Er sah sich im Türrahmen der Küche aus Eicherustikal um. Er sah sie nicht mehr.

Er ging auf den Flur. Er blieb am Türrahmen stehen und sah ins Wohnzimmer. Sie stand neben ihm. Sie sah vom Telefon auf und starrte beide an, hoffnungslos.

Er senkte die Augen. Sie drehte sich weg. Er lenkte die Schritte zur Haustür. Er ging nach draußen zu der alten Garage. Er nahm sie mit.

Die Nacht versprach wolkenfrei zu sein. Neumond. Hinter der Garage begann das Magazin ihn zu schnelleren Schritten zu bewegen. Er ging an den Mülleimern vorbei. Der Biomülleimer stand wieder nicht an seinem vorgesehenen Platz, bestimmt sechs Zentimeter. Er kam der Garage näher. Etwas erwachte. Er nannte es Passion. Sie mochte sie nicht. Konkurrenz. Er schaltete das rote Licht der Kopflampe an und sah auf das Titelblatt. Er musste seine Augen an die Dunkelheit gewöhnen. Dann schloß er mit leicht zitternden Fingern die Tür auf und betrat sein Refugium, allein. Normal.

Seine Zeit begann. Er schaltete die Stromversorgung an, betätigte mehrere Schalter in schlafwandlerischer Selbstverständlichkeit und bediente die Knöpfe der Fernbedienung. Es begann um ihn herum zu summen und ein wenig zu knarren. Vertraute Geräusche seit Anbeginn der Zeit. So fühlte er es. Die Kuppel öffnete sich lustvoll. Sie zog sich zurück, nicht erbost, abwartend.

Er dachte an die Titelseite. Das war normal. Die erfrischende Brise betrat den Innenraum. Sie wusch das muffige Aroma der letzten Regentage aus dem kreisrunden Hort seiner Passion, doch konnte sie sie nicht wegwehen. Still und stumm, alles normal. Er öffnete den Rechner, seinen schlafenden Freund im Hibernate. Er erwachte. Er auch. Stellarium erwachte auch. Die Welt leuchtete in Rot. Sein Teleskop, sein 4,5 Zoll Newton, weiß, erwartete ihn wie ein treuer Freund. Sein Weiß fand er auch damals schon erfrischend an ihm. Immer für ihn da. An seiner Seite. Wie im Schützengraben, Hingabe, Aufgabe, für ihn da sein.

‘Was Orion verbunden hat, das soll der Mensch nicht scheiden.’ stand auf einem Poster, das in all den Jahren seine Farben an sie verloren hatte. Ausgelutscht und fade. An drei Ecken war es mit rotem Klebeband an der Innenwand befestigt. Die andere Ecke rollte sich auf. Klagte ihn an.

Das erste Lächeln des heutigen Tages. Normal.

Er nahm das Magazin und tippte den Namen ab, der unter dem Foto auf der Titelseite stand. Er lächelte. War es normal? Auf dem Display bewegten sich Welten, Linien und Zahlenkolonnen, manche mit scheinbarer Lichtgeschwindigkeit. Sie poppten wie Luftblasen in einem Glas gefüllt mit Sprudel auf und rasten an ihm und seinen suchenden, hungernden Augen vorbei. Es beunruhigte ihn nicht. Es war normal.

Der Lagunennebel. 

Im Sternbild Schütze, da thronte M8, seine Welt. Ein Emissionsnebel, ein Reflexionsnebel, ein Sternentstehungsgebiet, Ja, Ja 6,0 mag, 6,0 mag. So weit entfernt. Ja, leider. So weit entfernt. Seine Vollformatkamera mit dem großen Sensor hing an seinem Teleskop, erwartungsvoll und ungeduldig. Die Welt da draußen gab es nicht. Hier war alles normal. Er war normal. Wer nicht hierher kam, nicht hierher kommen konnte oder wollte, war nicht von dieser Welt. Sollte doch bitte draußen bleiben und Briefmarken sammeln oder Seidenmalerei betreiben.

Die Fokussierung geschah von allein, seine Finger kannten die kleinsten Berührungen, die über Lichtjahre entschieden. Das Metall und die Kunststoffe, die seine Haut berührten, tasteten sich behutsam zu seiner Seele vor. Eine kurze Berührung über 5200 Lichtjahre.

Sie würde es nie verstehen.

Er schon.

In der langsamen Bewegung der Erdachse veränderte sich das Bild in der Dunkelheit. Punkte wanderten langsam, kaum merklich am Firmament seines gewählten Himmelsausschnitts entlang, über die niedrigen Baumkronen hinweg, verschwanden unter dem Horizont. Hier und da ging ein Licht an, es gingen Lichter aus, eine Katze schlich durch den Garten.

Es war eine angenehm kühle Nacht.

Es war eine normale Nacht. Er war ein normaler Mensch in einer normalen Nacht.

Nach einem langen Tag und einem langen Abend saß er auf seinem bequemen Drehstuhl, den er nach seinem Renteneintritt aus der Firma hatte mitnehmen dürfen. Das war nett. Er saß auf seinem langjährig geformten Stuhl, den alten Bekannten seines Gesäßes. Wie fast jeden Tag. Dann sah er wieder auf das Bild der Titelseite. Wie gemein perfekt. So oft hatte er es schon probiert. Jahr für Jahr. Der erste Lagunennebel dieses Jahres.

Wo da wohl ein Unterschied sei, hatte sie ihn gefragt. Letztes Jahr hatte sie sich herabgelassen, einen gelangweilten Blick auf drei seiner bearbeiteten Fotos zu werfen. Immer dasselbe. Sie verstehe das nicht. Da ändere sich doch nichts.

Heute sein erster Lagunennebel in diesem Jahr. Er hatte Verbesserungen an seinem langjährigen Begleiter vorgenommen. Das Teleskoptreffen, neue Ideen, und auch Neid. Neue Begierden. Er sah wieder auf das Titelbild.

Er ließ die stellare Maschinerie ihr Werk beginnen und wartete. Er könnte ins Haus gehen und ein wenig schlafen. Sein Freund würde auch ohne ihn weiter arbeiten. Treuer, zuverlässiger Freund eben. Doch er saß. Er saß und trank einen Schluck Kaffee. Eine Spinne kletterte über sein rechtes Bein. Es kitzelte. Er saß. Er starrte in die Dunkelheit. Es war ganz normal. Noch zwei Nächte und dann stacken. Facetten des Lebens übereinanderlegen. Das ging im normalen Leben nicht. Ach. Wirklich. Wie schade.

Leise arbeitete sein Freund. Er fing Facetten aus der Vergangenheit auf, um Gleichzeitigkeit zu erschaffen. Irreal. Er saß. Er schaute auf den Tubus. Er meinte, Karos zu sehen. Er kratzte sich am Arm. Die alte Stelle ging immer wieder auf. Lästig. Wieder Schorf. Er saß. Die Stirnlampe rutschte leicht. Er rückte sie zurück. Sie rutschte wieder. Er atmete entnervt tief aus.

Die erfrischende Luft streifte seine Wangen. Sie hinterließ eine kleine Spur Feuchtigkeit, die ihn zwischen den Bartstoppeln kitzelte.

Er wischte sie weg, an seiner Hose ab. Aus den Achtzigern.

Er stand auf. Sah durch die geöffnete Kuppel zu seinem Haus, zum Schlafzimmerfenster. Sie lag dort, schlief. Er sah zum Dach. Moosüberwuchert. Feuchtigkeit. Alt. Aus den Achtzigern. Auch dort war sie, auch im Garten, überall. Nicht nur im Haus.

In seiner rechten Brusttasche spührte die Speicherkarte, die nicht ihren vorbestimmten Platz erhalten hatte. Vergessen. Sie steckte zwischen den Krümeln des Kekses des letzten Astronomietreffens vor fünf Wochen und einem kleinen Schnipsel der abgerissenen Eintrittskarte.

Autorin: KC Osvici (copyright) – Version: 2022-08-15 – ein Feedback ist erwünscht.

Es gibt vom hessischen Netzwerk gegen Lichtverschmutzung eine neue Pressemitteilung zum Thema „Weniger Licht = weniger Sicherheit?“

Was in Frankreich seit 2020 schon längst Gesetz ist und in Deutschland schon lange viele Befürworter hat, erregt hier nun einige Geister: Zur Energieeinsparung soll die Beleuchtung von Geschäften und Werbeanlagen zur späten Abendstunde ab 22 Uhr ausgeschaltet werden. Doch werden seitens des Handels Bedenken aufgeworfen, die Innenstädte würden dadurch „weniger sicher“ werden.

Sind diese Sorgen begründet oder würden die Innenstädte von dieser Maßnahme sogar profitieren?

Quelle: „Abschalten der Werbe- und Schaufensterbeleuchtung – ein Sicherheitsrisiko?“ – Das hessische Netzwerk gegen Lichtverschmutzung

Die intensive Aufarbeitung der gesamten Palette an Eindrücken und Erkenntnissen, die wir in den Wochen unseres Aufenthalts in Chile gesammelt hatten, und in Form dieses chilenischen Sternentagebuchs zum Leben erweckten, haben mir die Astronomie und die Astrofotografie in einer ganz anderen Dimension näher gebracht. Es geht um mehr, als sich an einen dunklen Ort hinzubewegen, die Technik einzusetzen und mit berechtigtem Stolz seine digitalen Trophäen nach Hause zu bringen, sich ihrer Schönheit zu erfreuen und mit Anderen zu teilen. Tourismus baut darauf, den Kunden Erlebnisprodukte zu verkaufen, sozusagen in Erlebniskonserven mit Aufreißlasche. Dafür ist San Pedro de Atacama ein gutes Beispiel.

Aber er distanziert uns von der Substanz und erlaubt uns keinen Blick hinter die Kulissen, die das Gesamtwerk ausmachen. Aus dem Produkt hinauszutreten und zu erkunden, wo und wie es eingebettet ist, hilft uns, die Menschen, die involviert sind, besser zu verstehen und den romantisierenden (Urlaubs-)Blick zu relativieren. Als Individualreisende kann ich somit eigene Akzente setzen und mit den Menschen, die von und mit der Astronomie leben, in die Kommunikation gehen, um ihre Arbeit und ihre Sicht auf unseren Planeten in diesem noch sehr geheimnisvollen Universum verstehen zu lernen. Dieses Privileg nutzend, zeigte Lutz und mir die vielen Facetten, die mit dieser Arbeit einhergehen: den Enthusiasmus, den Erfindergeist, die Begeisterung, die Geduld, die Sachkenntnis, das Durchhaltevermögen, aber auch Existenzängste.

In der Astrofotografie liegen bekannterweise die beiden ‚Fs‘, Frust und Freude, angströmeng beieinander. Dass Astrofotografen und natürlich auch Astronomen mit ihrem Equipment immer außerhalb von bewohnten Gegenden sich aufhalten müssen, ist keine Neuheit, aber wie sehr die rasante Ausbreitung der Lichtverschmutzung mittlerweile sogar die heiligen Grale der Astronomie bedrohen, gerade in einem Land, das für die Astronomie wie geschaffen zu sein scheint, hat uns nicht nur erstaunt, sondern erschreckt. Für Lutz und mich wurde es zu einem weiteren Gradmesser, wie sich das Anthropozän bereits darstellt.

Zudem wurden die Interessenskonflikte, auch durch beharrliches Hinterfragen, deutlich, und manchmal auch mit einem Hauch von … Resignation? … beantwortet. Diese Konflikte resultieren zum einen aus der Auseinandersetzung mit der Bergbaulobby, gekoppelt mit dem Resourcenhunger der Industrienationen, für die die Astronomie eher untergeordnet ist. Damit verbunden, sah ich auch das Erbe des Cristóbal Colón und der sich anschließenden Kolonialzeit, die in den Gesprächen, mit den Chilenen, denen ich begegnete, immer noch präsent ist. Es wurde zu einer Realität, anfassbar.

In Chile wird die Frage, welchen Stellenwert die Astronomie zukünftig haben wird, noch beantwortet werden müssen. Gleichzeitig müssen auch wir, hier in Europa, uns dieselbe Frage stellen und an die eigene Nase fassen: Wie wollen wir mit dem Menschheitserbe weiterhin umgehen, unsere Umwelt und damit einhergehend unsere Gesundheit, den Artenschutz und ergo die Lebensmittelproduktion durch Vermeidung von Lichtverschmutzung schützen und sicherstellen? D. h., dass wir nicht von Anderen mehr Bewusstsein und Umsetzung von Ideen erwarten dürfen, als wir es selbst zu leisten gewillt sind, obwohl uns mehr Optionen zur Verfügung stehen als vielen Chilenen.

Mehrere Wochen nachdem ich diesen Beitrag beendet hatte, sendete mir Dr. Malcolm Smith vom Cerro Tololo Interamerican Observatory Mitte Oktober 2019 in einer E-mail folgende Nachricht: ‚A few weeks ago I was one of 12 people who received the Medal of the City of La Serena (on the 475th anniversary of the foundation of this community). I was quoted in one newspaper as having indicated that the clear skies of Chile are a world treasure…’1

Dieses Umdenken ist auch für Europa wünschenwert. Auch wenn wir nicht die spektakulären Konstellationen der südlichen Hemisphäre bewundern können, so ist auch unsere Perspektive auf die Milchstraße ein Menschheitserbe, die wir für uns und die folgenden Generationen wieder öffnen müssen.

Was bringt das also? Worin liegt der Sinn, sich in der Kälte, weit weg von der sogenannten Zivilisation mit einer Kamera aufzubauen? werde ich oft gefragt. Warum beschäftigst du dich mit Astronomie und Astrofotografie? Du könntest doch viel bequemer an einem Strand liegen und Cocktails genießen.

Für mich liegt eine wichtige Erkenntnis z. B. in den Worten des englischen Physikers Professor Brian Cox, der sagte:

‘Our life is finite and might not actually mean anything in the big scheme of things. And that’s what cosmology is beginning to tell us: The meaning of life is to enjoy it while you can, and value it more.’2  

We Asked Professor Brian Cox About Life, the Universe, and Everything – vice.com

Und genau das erlebten wir beim Anblick der Milchstraße; manchmal auch mit einem Glas Pisco Sour in der Hand.

Die Milchstraße – Cancana – Foto: Lutz Dörpmund
Der Mond, die Venus, Regulus, Merkur und ein Drache – Foto: Lutz Dörpmund

Quellennachweis:

  1. E-mail von Dr. Malcolm Smith, vom: 17.10.2019
    z.K. die Observatorien der AURA erhielten nach dem 1. Oktober 2019 nach einiger organisatorischer Umstrukturierung neue Bezeichnungen: ‘- into what is now known as the „NSF OIR Laboratory“ (i.e. the „National Science Foundation Optical-Infrared Laboratory“).  This officially unifies various parts of the NSF activity in the USA and Chile, i.e. the Large Synoptic Survey Telescope (being constructed and assembled in Chile, Gemini North and South (in Hawaii and Chile), Kitt Peak National Observatory (in Arizona) and the Cerro Tololo Interamerican Observatory.’
  2. We Asked Professor Brian Cox About Life, the Universe, and Everything – vice.com
    Unser Leben ist endlich und es mag, ganz nüchtern betrachtet, nicht viel bedeuten. Aber die Kosmologie beginnt, uns eines zu lehren: Der Sinn des Lebens besteht darin, es zu genießen, solange Du kannst, und es zu wertschätzen. (abgerufen: 20190526, um 17:35h)

In den unendlichen Weiten der Atacama sticht eine Astrofarm heraus: SPACE.

Es steht für ‘San Pedro de Atacama Celestial Explorations’ und der Zusatz verrät es:

SPACE: ‘The complete solution to observe the Atacama sky‘.

Salar de Atacama – Foto: Lutz Dörpmund
Der Licancabur – Abendstimmung auf SPACE – Foto: Karin Dörpmund

Mehr braucht es auch nicht, um seine Gründer zu beschreiben: Alain Maury und seine Frau Alejandra. Alain besuchte im Jahr 2000 San Pedro und war von der Schönheit des chilenischen Nachthimmels begeistert. 2003 kauften Alejandra und er in Solor das Gelände, auf dem heute SPACE steht, und das sich großen Zulaufs erfreut. Nicht zuletzt frequentieren Celebrities wie z. B. Serge Brunier, Babak Tafreshi und Professor Brian Cox seine Astrofarm.

In Alain Maury vereinen sich der Astronom, der Fotograf, der Philosoph und der Gesellschaftskritiker, und das immer mit einem französisch charmant-verschmitzten Lächeln. Auf seiner Website findet der Leser sein umfangreiches Angebot an astronomischem Equipment, das vor Ort, aber vielleicht vor allem mittels schneller Datenleitungen aus anderen Teilen dieses Planeten, gemietet werden kann. Und … er ist ein Asteroiden- und Kometenjäger.1

In seinem Blog finden wir seine Ansichten über ‚Life, the Universe and Everything‘2, wie es wohl der britische Autor Douglas Adams ausgedrückt hätte. Wann immer er Zeit findet und der Besucher sich mit ihm über Astronomie und unseren blauen Heimatplaneten unterhalten kann, verbindet er auf spannende und unterhaltsame Weise tiefsinnig Himmel und Erde, den Kosmos und die menschlichen Geschicke mit seinem französischen Charme.

Hier ein Beispiel aus seinem Blog zu der Frage:

‚Ist wilder Kapitalismus das beste, was die Menschheit dem Sonnensystem zu bieten hat?‘ (…)

‚Eine andere Geschichte, die wir häufig hören, ist ein Zitat von Konstantin Tsiolkovsky, der so etwas sagt wie ‚Die Erde ist die Wiege der Menschheit, aber man kann nicht für immer in der Wiege bleiben.‘ Und die Antwort darauf ist, wenn die Lebensbedingungen für Menschen außerhalb der Wiege nicht für ihn gemacht sind, dann sollten wir lieber in der Wiege bleiben, in der sich das Leben seit Milliarden von Jahren entwickelt hat, und wir sollten alles Mögliche daran setzen, sie zu erhalten, weil sie die einzige ist, die wir haben. Haben die Leute, die unentwegt über Kolonien im Weltraum reden, jemals ernsthaft daran gedacht, wie die Lebensrealität in solchen Kolonien aussieht? Hätte Moses seine Wiege verlassen, während er noch auf dem Nil schwamm, wäre er einfach nur ertrunken, und wir hätten wahrscheinlich andere Religionen auf der Erde. Verdammter Moses, zu schade J.‘3

Is wild capitalism the best humanity has to offer to the Solar System ? (updated May 30th 2020)

Aufnahme mit einer Drohne – Foto: Lutz Dörpmund

Lutz und ich erfuhren von Alains Astrofarm aus Serge Bruniers Serie ‚Zwischen Himmel und Erde‘ [ab 2015 auf ARTE, Anm. d. Verf.], in der Serge Brunier auf Alain Maurys Talent, uns Geschichten über das Universum zu erzählen und auf seine hohe astronomische Expertise verwies. Grund genug, um auf unserer Erkundungstour der chilenischen Sternenregionen4 auch SPACE zu besuchen. Im Juli 2018 bat ich ihn um ein kurzes Interview und er kam ‚kurz rüber‘, weil er eigentlich an seinem neuesten, selbst gebauten Teleskop noch Justierungen vornehmen wollte. Aus der halben Stunde wurden vier.

Hier nun das Interview:

In deinem Blog mit dem Titel ‘Wer bin ich?’ erzählst du uns, was dich dazu bewegte, zunächst Fotograf zu werden und dann Astronom.
Was veranlasste dich, neben deiner ersten Beobachtung der Sonnenfinsternis am 30. Juni 1973, den astronomischen Pfad zu beschreiten?

Oh Mann. Das ist ewig her. Mein Vater war ein Schweißer, er hatte also eine Maske und durch die konnte ich die Sonnenfinsternis sehen. Das hat mir viel Spaß gemacht. Mein Onkel hatte ein kleines Teleskop. Er zeigte mir Jupiter. Das gefiel mir. Ich stamme nicht aus einer Familie von Wissenschaftlern. In unserer Familie sind wir fast alle Arbeiter. Und dann sah ich die Sonnenfinsternis … und ich dachte: wow, cool … .

Zu dieser Zeit, es gab ja noch kein Internet, wurde in Frankreich eine Enzyklopädie verkauft und die konnte ich bekommen. Jede Woche gab es ein paar neue Kapitel und meine Mutter kaufte sie und darin war eine Himmelskarte für die verschiedenen Jahreszeiten und ich erinnere mich, dass ich ganz fasziniert den Großen Bären ansah und ich konnte Arkturus sehen und … . Ich glaube, das war’s.

In deinem Blog sagst du, ‘Nach 1973 fing ich an, Astronomie zu betreiben, ich meine Vollzeit, der Rest war eine dumme Zeitverschwendung, …‘.

Ja, … Danach machte ich nichts mehr außer Astronomie.

Was war die Zeitverschwendung?

Das Problem war, dass meine Mutter ziemlich sauer mit mir wurde, weil meine Noten nicht besonders gut waren. 1976 z. B. kam Komet West, ein hübscher Komet am Nachthimmel und während der drei Monate, die der Komet sichtbar war … Ich lebte über der Garage und mein Zimmer hatte ein kleines Fenster und wenn die Sterne gut zu sehen waren, ok, schwups, ich öffnete vorsichtig die metallene Garagentür, damit sie keinen Lärm verursachte und ich brachte mein kleines Teleskop nach draußen und beobachtete. Ok, wenn es hell wurde, brachte ich alles wieder leise zurück und kroch ins Bett und in der Schule war ich nur müde von der ganzen Nacht, in der ich beobachtet hatte. Ich erinnere mich an einen Morgen. Ich hatte die ganze Nacht Kometen fotografiert, ein Freund hatte mir ein Objektiv geliehen. Der Mann, der die Zeitung verteilte, kam vorbei, sah mich und ich wollte ihm mit Händen und Füßen andeuten: ‚Da  ist ein Komet.‘ Aber der Typ sah ihn nicht. Und ich zeigte ihm, dass er still sein solle, denn das Schlafzimmer meiner Eltern war gleich nebenan. Da gab es Ärger.

Und dann war Schluss mit der Astronomie?

Ja, meine Noten waren wirklich schlecht. Das Trimester war furchtbar. Ich hatte nicht den Eindruck, dass ich ein Astronom werde könnte. Sieben Jahre studieren oder so. Also ging ich zur Fotografieschule. Das Problem in der Schule damals war, dass man nur dumme Sachen lernte. Das war 1968. Ich hatte an der Schule einen Astronomieclub gegründet. Die Mathematiker sagten uns, dass Mathe kein Teil der Physik sei. Sie erzählten uns viele mathematische Dinge, die komplett nutzlos waren und ich war, …. phhh, Kometen waren viel interessanter.

Warum hast du umgesattelt?

Ich habe das Abitur nicht geschafft, aber ich wollte ja auch auf eine Fotografieschule gehen, eine staatliche, die privaten waren sehr teuer. Es gab zwei Prüfungen und 400 wollten zu der Schule, aber nur 24 wurden genommen. Ich wusste eine Menge über Chemie und die Technik der Fotografie etc. Ich wusste nichts über künstlerische Fotografie, also wer die renommierten Fotografen, also vor 50 Jahren, waren usw. Dort, wo der Astronomieclub stattfand, war ein Typ, der lieh mir einen Schwung Fotografiemagazine. Während zwei Wochen, in Mathe lernten sie derweil Geometrie mit mehreren Dimensionen und so, was natürlich auch im Abitur drankam, lernte ich all diese Dinge der künstlerischen Fotografie. Ich wurde in der Fotografieschule angenommen. Aber weil ich kein Abitur hatte, musste ich ein Jahr nachholen und zwar an einem katholischen Institut. Ich hatte auch nichts dagegen, sagte ich meinen Eltern. Der Trick war, dass sie dort einen Zeiss 13cm Refraktor hatten und ich malte mir in den schillerndsten Farben aus, dort jede Nacht beobachten zu können. Ich wurde  angenommen, ich war guter Dinge. Natürlich sagte ich meinen Eltern nicht, dass es ein Observatorium an der Schule gab, aber sie fanden es heraus.

Also rückte die Astronomie doch nicht in den Hintergrund?

Nicht ganz. Gleich am zweiten Tag an der Schule ging ich frohen Muts zu einem der ‚Brüder‘. Also, ich sagte zu ihm: ‚Lieber Bruder, ich würde gern wissen, ob ich die Schlüssel für das Observatorium haben könnte.‘ Er sah mich an und antwortete: ‚Dein Name ist Alain Maury und du darfst das gesamte Jahr nicht in das Observatorium.‘ Ich war am Boden zerstört. Ich kam tatsächlich nur zweimal in das Observatorium, aber ich bekam meinen Abschluss.

Während meiner Fotografieschule machte ich ein Praktikum und arbeitete an einem Schmidt-Teleskop, an dem ich auch später arbeitete. Danach bekam ich einen Job in einer Astronomiegesellschaft für sechs Monate. Das war ein Halbtagsjob. Ich ging also an das Observatorium und ich begann zu arbeiten. Die Sache ist die, dass es für die Arbeit in den Observatorien keine Ausbildung gab, ich meine, um das Teleskop zu benutzen. Du konntest Elektroniker usw sein. Die meistens Leute waren keine guten Astronomen, d. h., was die Anwendung der Teleskope betraf. Und ich wusste mehr als sie. Tja, so war das.

Die Beschreibung deiner favorisierten astronomischen Aktivitäten umfasst die Geschichte der Astronomie, Schmidt Teleskope, Wide field astrophotography und CCD Kameras, die Hypersensibilisierung fotografischer Platten, Automatisierung von Teleskopen, Spaceguard, Amateurastronomie und ganz besonders die Observation von Asteroiden und Kometen.
Ich habe eine lange Liste von Asteroiden gefunden, die du gefunden und deren Bahnen du beobachtet hast. Was veranlasste dich, sich auf sie zu fokussieren?

Ich erinnere mich, dass in der Ciel & Espace [Sterne und Weltraum, Anm. d. Verf.] angekündigt wurde, dass man einen Asteroiden sehen könne. Das war im März 1977. Er passierte den Bienenkorb-Nebel M44 und ich beobachtete, wie er sich bewegte und dachte zunächst: ‚Na ja, ganz nett. Eigentlich sind Asteroiden total langweilig.‘ – Nein, mit meiner Arbeit am Schmidt-Teleskop wurden die Asteroiden immer interessanter für mich.

Wie erklärst du deinen Besuchern hier auf SPACE das Auffinden von Asteroiden? Sie kennen die Katastrophe Ende der Kreidezeit und das Aussterben der Dinosaurier. Wie ging die Suche nach Asteroiden los?

Wenn du auf die Ekliptik siehst, findest du mit einem großen Teleskop, damals hatten wir große Fotoplatten, vielleicht 100 Asteroiden. Damals waren die meisten komplett unbekannt. So um 1970 kannten wir vielleicht 3000. Heute kennen wir 800.000, also in 50 Jahren haben wir dermaßen viele entdeckt. Das war damals am Anfang eine nette Zeit, weil wir ständig Asteroiden entdeckten. Die meisten Asteroiden im Hauptgürtel, zwischen Mars und Jupiter, haben die gleiche Bewegung, aber wenn ein Asteroid auf dich zukommt, kann er sich unvorhersehbar bewegen und sehr schnell. Heute wissen wir, dass Asteroiden sich nah an der Erde bzw dem Mond entlang bewegen. Zu Beginn der Nacht sind sie auf der einen Seite des Himmels und am Ende vielleicht auf der anderen. Und diese sich schnell bewegenden Asteroiden sind potenziell gefährlich. In den 1970ern waren die Astronomen, die Asteroiden erforschten, die Verlierer. Sie hatten keine Computer und wenn du nach drei Tagen der Berechnungen die Bahn eines Asteroiden kanntest, war es einer von 3000. Das nützte nichts.

In San Pedro gibt es ein sehr gutes Meteoritenmuseum.

Ja, das stimmt. das sind nur die kleinen Dinger. Aber klar, sie erzählen uns große Geschichten. Auf jeden Fall sollte jeder dorthin gehen. Sie liegen hier ja überall herum. Ich interessiere mich mehr für die großen Brocken.

Gestern auf der StarTour erzähltest du den Gästen etwas über den Mond und Asteroiden.

Wenn du den Vollmond durch ein Teleskop beobachtest, dann ist er voller frischer Krater. Du siehst weiße Flecken. Der Mond hat kein Magnetfeld, fast gar nichts. Die Sonnenpartikel lassen den Boden des Mondes sehr dunkel erscheinen. Das erscheint paradox: der Mond ist schwarz. Wenn er weiß wäre, also wenn es dort Wolken oder Eis gäbe, würde er die Sonnenstrahlen zu 100% reflektieren und du könntest den Mond nicht ansehen. Es wäre, als ob du die Sonne ansähst. Wenn die Venus nah beim Mond ist, dann ist die Venus weiß, und du siehst den Mond ein sehr dunkel. Das ist natürlich auf der Oberfläche. Wenn ein Impakt stattfindet, wird das Oberflächenmaterial ausgeworfen und dann sind die frischen Krater sehr weiß.

1973 kannten wir 23 erdbahnkreuzende Asteroiden5 (earth-crossing asteroids, auch als planet-crossing asteroids bezeichnet, Anm. d. Verf.). Die Leute, die die Apollofotos des Mondes studierten, begriffen, dass es viel, viel mehr geben musste, und sie begannen, sie zu suchen. 1975 fanden wir zwei erdnahe Asteroiden. 1992 hatten wir bereits 200 gefunden. Und jetzt nähern wir uns der 18.000er Marke.

Als ich begann, nach Asteroiden zu suchen, suchte ich nach Strichspuren. Damals konnten wir die ‚normalen‘ Asteroiden nicht berechnen, weil es viel Zeit beanspruchte und das war für mich nicht interessant. Für mich waren es die sich schnell bewegenden Asteroiden, die sich in die falsche Richtung bewegten. Du machst also eine 30-Sekunden-Belichtung, schließt den Verschluss und fünf Minuten später machst ihn wieder für fünf Minuten auf. Der Asteroid ist dann ein Streifen und ein kleiner Punkt. Wenn er in die falsche Richtung fliegt, ist der Punkt natürlich in der anderen Richtung. Daran konntest du sehen, ob er ein normaler war etc.

Die Technologie hat in den letzten Dekaden enorme Entwicklungen erlebt. Ich kann mir vorstellen, dass das eine spannende Zeit war, in der es viel zu entdecken gab. Wie hast du diese Zeit als Fotograf, Astronom, Asteroidenjäger erlebt?

Ich hatte damals nur einen Halbtagsjob und ergo nur ein halbes Einkommen. Ich bekam dann einen Job am Palomar Observatorium in Kalifornien und dort traf ich die führenden Köpfe in diesem Bereich, wie Gene Shoemaker und Elenor Helin6. Um 1990 hattest du das Gefühl, dass die Fotografie am Aussterben war. In den Teleskopen wurden die ersten CCD-Detektoren benutzt. Die waren so groß wie mein Fingernagel, aber sie wurden immer größer. 1994 kam ich aus den USA nach Frankreich zurück und brachte Leiterplatten für CCD-Camera-Controller mit. Damals konntest du keine CCD-Kamera kaufen. Du musstest sie selbst bauen und die Software entwickeln. Ich hatte einen Freund bei Texas Instruments, und dementprechend viele Chips von Texas Instruments in meiner Kamera. Ich verkaufte zwei meiner Teleskope, kaufte den Chip, der sehr teuer war und wir bauten die erste CCD-Kamera am Observatorium. Das war schon was!

Uns war damals klar, dass Kodak pleite gehen musste, weil Digitalkameras auf dem Vormarsch waren und deshalb nutzte ich meine guten Kontakte zu CalTech. Die besitzen das Jet Propulsion Laboratory und sie hatten eine Abteilung, in der hauptsächlich die CCDs hergestellt wurden. Bei der Ausstattung eines Raumfahrzeugs, z. B. für die Pioneer-Mission, und natürlich auch für die Voyager-Mission, braucht es große Kameras, die wogen aber 100kg und für eine Weltraummission brauchst du Kameras von einigen hundert Gramm. Deshalb gaben sie viel Geld für Digitalkameras aus, auch für das Hubble Space Teleskop, d. h. erst 800×800 Pixel, dann machten sie 2000×2000 und dann 4000×4000. Die Firma machte vielleicht 80 Chips, die wurden getestet, sie nahmen die besten und von dem Rest konnte ich eine bekommen. So fingen wir an, nach Asteroiden in Zusammenarbeit mit der DLR in Berlin zu suchen und wir eröffneten ODAS, das ist die Abkürzung für OCA-DLR Asteroid Survey. OCA steht für Observatoire de la Cote d’Azur. Tatsächlich waren wir die Ersten in Europa, die CCD-Kameras benutzten, um sich schnell bewegende Asteroiden zu beobachten.7

Das muss breiten Anklang in den Fachkreisen ausgelöst haben.

Eher nicht. Das Problem war, dass es ein paar Astronomen aus der Mai 68er Generation gab, die aufgrund einiger dummer Gründe über die CCDs nicht gerade erfreut waren. Sie meinten, Astronomie habe nur etwas mit Computern zu tun. Es ging also nur um Berechnungen und die Investition in Teleskope sei eine reine Geldverschwendung. In Polen z. B., nachdem die Sowjetunion zusammengebrochen war, hatten sie an einem dortigen Observatorium die Wahl zwischen einem Zeiss-60cm-Teleskop oder ein 386PC. Und sie kauften den PC. Stell dir das vor. Wie konnten sie sich so etwas entgehen lassen? Zeiss ist wunderbar. So ein Computer konnte 100mal weniger als heute mein Telefon. Damals wurden Computer euphorisch betrachtet: ‚Du willst Wissenschaft machen? Also brauchst du einen Computer!‘

Hinzu kam, dass die Idee des Einschlags eines Asteroiden und das Aussterben der Dinosaurier populär wurde. Damals wurde ich von mehreren Magazinen dazu interviewt und am Observatorium in Nizza – da gab es nur Mathematiker, die sich mit den Orbits der Asteroiden usw beschäftigten – regte sich der Boss dort auf, dass ein Techniker, ich war kein Astronom, interviewt wurde und nicht er. Der Typ wurde Vizedirektor und drei Monate später wurde das Observatorium geschlossen. Deshalb kam ich nach Chile.

Chile war doch keine schlechte Entscheidung, oder?

Na ja, unser Plan, den wir zusammen mit Pete Worden8 entwickelt hatten, war damit auch zunichte gemacht worden. Pete Worden arbeitete für die US-Airforce and hatte an Reagans Star-Wars-Programm mitgewirkt. Bei der Clementine Mission kamen Detektoren zum Einsatz, die auf dem Mond getestet wurden. Also, wir baten ihn um finanzielle Mittel und hatten unsere Detektoren. Die Idee war ja, einen 30cm CCD-Detektor zu installieren. Als das Aus kam, wurde ich zu Wartungsarbeiten eingesetzt. Stell dir das vor! Na, und dann kam das Angebot, nach Chile zu gehen. Zunächst für einen Monat, dann nochmal zwei Monate, dann kam ich nach La Silla und blieb dort für drei Jahre. Das Angebot wieder nach Frankreich zu gehen, nach Nizza, und am Pariser Observatorium die Daten vom Pic du Midi auszuwerten, schlug ich ab. In Paris leben? … Keine Milchstraße in Paris. Ich hatte ja auch eine Familie zu versorgen. Im Ausland zu arbeiten, war einfach besser bezahlt.

Astronomie hat dich also immer begeistert. Allerdings las ich auf deiner Website, dass auch ein gewisser Missklang in deinen Worten mitschwingt.
Worin liegt er begründet? Was sprach dich damals an, was spricht dich heute an?

Also, in Chile bewarb ich mich damals am El Paranal. Aber laut meiner Papiere war ich Fotograf. Ich hatte also keinen ‚richtigen‘ Abschluss sozusagen. Ich passte nicht. Ich hätte als Assistent arbeiten können, aber das war … nicht mein Ding. Ein anderer Grund war, dass ich vorher im Observatorium oder 20 Minuten davon entfernt gewohnt hatte, aber hier war es anders. Hier bist du eine Woche mit den Leuten zusammen, dann hast du sechs Tage frei in Santiago, dann geht die Nachtarbeit wieder los. Na ja, ich war auch nicht mehr der Jüngste. Früher habe ich das einfach weggesteckt. Die ersten drei Tage in Santiago läufst du wie ein Zombie herum, dann hast du drei Tage, die ok sind und dann geht’s wieder zum Paranal. Das war einer der Gründe. Und … Paranal ist sehr spezialisiert. Vorher an den kleinen Teleskopen machte ich alles. Ich bin gut in Optik, ein guter Mechaniker, Elektroniker, mit Computern und Software. Am Paranal geht das so nicht. Wenn es ein Problem an einem Teleskop gibt, darf das nur der Zuständige reparieren. Du nicht. Es gibt viele Zuständigkeiten, viele Menschen.

Du sprichst in diesem Zusammenhang auch von ‘the modern astronomical era of industrial ESO like astronomy, also called „heavy science“. [die moderne astronomische Ära der industriell geführten ESO Astronomie auch ‚heavy science‘ genannt, Anm. d. Verf.].

Nein. Das mochte ich nicht. … Weißt du, hier mache ich alles selbst und ich habe keinen Boss: Ich bin mein eigener Boss. Es gibt da so einen Witz. Es heißt: Im Paradies ist der Polizist ein Brite, der Mechaniker ist ein Deutscher, der Liebhaber ist ein Italiener und der Koch ist Franzose. … In der Hölle ist der Polizist ein Deutscher, der Koch ist Engländer, der Mechaniker ist ein Italiener, usw…. So ist die ESO. Alles ist sehr formalistisch, jeder Schritt muss protokolliert werden. Das ist nichts für mich.

Die ESO ist sehr bürokratisch?

Ja, selbstverständlich. Die ESO ist sehr groß. Es kann gar nicht anders funktionieren. Du selbst bist dann aber nur ein kleines Rad im Getriebe und das ist nichts für mich.

Ein anderer Bereich deiner favorisierten astronomischen Aktivitäten ist ‘spaceguard’. – Betrachtest du  dich selbst als einen Wächter der Menschheit?
Gibt es einen Kandidaten, einen Asteroiden, der die Erde treffen könnte?

Nein, nein, das erste, was man wissen muss ist: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass wir einen potenziell gefährlichen Asteroiden entdecken werden. Ich hege keine guten Kontakte zu Astronomen, die auf den Impakt am Ende der Kreidezeit hinweisen oder auf Tscheljabinsk und postulieren, dass die Gefahr groß und immanent sei. Die Wahrscheinlichkeit, dass uns in unserem Leben ein Asteroid trifft, der 100 Meter usw groß ist, tendiert gegen Null. Das heißt nicht, dass es nicht passieren wird. Aber dass es sehr unwahrscheinlich ist. Es ist viel gefährlicher, dass ein Volk einen Idioten zum Präsidenten wählt. Ich nenne lieber keine Namen. Das passiert überall auf der Welt. Das ist eine unendliche Ressource. Du musst nur sehr ehrgeizig sein, dann glauben dir die Menschen alles.

Wie findet man denn Asteroiden? Kann das in einfachen Worten für den Laien erklärt werden?

Man muss ein Inventar aufstellen, um zu sehen, dass es keine gefährlichen Objekte gibt. Eine Woche vor dem Tsunami im Dezember 2004 wurde z. B. ein Asteroid entdeckt. Zunächst muss ich sagen, dass der NASA oft vorgeworfen wird, dass sie Informationen verheimlicht etc. Das ist alles Quatsch. Ich habe oft mit der NASA zusammengearbeitet. Sie sind manchmal Nervensägen. Ganz im Gegenteil. Wenn es etwas gibt, veröffentlichen sie die Information sofort. Wenn also ein Objekt entdeckt wird, musst du wissen, dass sein Orbit so unpräzise ist, dass man nicht gleich spekulieren sollte, wo er in dreißig Jahren sein könnte. Man sollte besser abwarten, bis der Orbit gut ist und dann erst können Prognosen vorgenommen werden. Also in 30, 40, 50 Jahren kann der Asteroid der Erde nahekommen, aber das Objekt ist vielleicht 13 Millionen Kilometer entfernt. Wenn die Erde in dem Bereich ist, wird gleich gerufen: ‚Ha, ein Impakt ist möglich!‘ Aber die Impaktmöglichkeit ist bei 0,02%, d. h. dass 99,98% darauf hinweisen, dass KEIN Impakt stattfindet. Dann wird beobachtet, der Orbit wird deutlicher und in dreißig Jahren sind es vielleicht nur noch 10 Millionen Kilometer und die Erde ist aus dem Bereich heraus. Somit tendiert die Inpaktwahrscheinlichkeit zu 0%.

Dann geraten alle in Panik und die Medien schlachten es aus.

Die meisten Menschen sind nicht mit der Berechnung von Orbits vertraut und dann heißt es: ‚Ha, die haben sich verrechnet.‘ Nein, wir machten keinen Fehler, wir verbesserten unsere Berechnungen. Das war die Sache mit Apophis in 2004. Während des Tsunami war die Impaktwahrscheinlichkeit auf 5% angestiegen. Wow, 5% ist das höchste, was wir bisher hatten. Doch wegen des Tsunami redete niemand darüber und wir sahen anschließend nicht wie Volltrottel aus.

Deshalb, wenn du über Asteroiden und die Dinosaurier liest, ist das alles dummes Zeug. Der letzte große, erdnahe Asteroid, 5 km, war 2004 entdeckt worden. Wir haben mittlerweile viel bessere Teleskope und Beobachtungsmöglichkeiten und wir haben bis jetzt keinen großen Asteroid mehr entdeckt. Wir kennen sie alle, sie sind nicht gefährlich. Wir werden nicht wie die Dinosaurier enden. Von den 20 Meter großen haben wir vielleicht 2-3 pro Jahrhundert, 70% fallen in die Ozeane, der Rest fällt auf Russland. Wir sind ganz schön neidisch. Während des 20. Jahrhunderts waren drei großen Impakts in Russland. Es ist eben ein riesengroßes Land mit 11 Zeitzonen. Es gibt viele konspirative Gruppierungen, die Unsicherheiten schüren. Wenn etwas entdeckt werden sollte, können die Menschen davon ausgehen, dass sie sofort informiert werden. Wir sind nicht die CIA.

Welche Asteroiden gibt es und können sie beobachtet werden?

Wir haben all die großen Asteroiden entdeckt, auch die 10km-Asteroiden kennen wir alle. Die 1km-Objekte kennen wir zu 95%, die 50 bis 100m-großen kennen wir zu einigen Prozent und die meisten haben keinen guten Orbit. Diese Objekte können nur mit sehr großen Teleskopen gefunden werden, die wir nicht haben. 2022 wird das LSST fertig gestellt sein, mit einem Spiegeldurchmesser von 8 Meter. Das LSST (Large Synoptic Survey Telescope), das Dark Matter Teleskop, wird von Kosmologen gebaut, doch ich bin skeptisch, ob sie bessere Ergebnisse liefern werden, als wir sie jetzt schon haben, wenn es sich um die Asteroidenforschung dreht. Mal sehen.

Die Lösung, jene Asteroiden zu beobachten, ist die, sie erdnah zu beobachten, aber dann bewegen sie sich schnell. Das Programm, das wir jetzt haben, ist leider nicht so gut geeignet, die sich schnell bewegenden Objekte zu detektieren. Wir gehen z. Zt. so vor: Wir nehmen zehn Fotos auf, das wiederholen wir alle halbe Stunde und die Software errechnet die Bahnen der Asteroiden, die sich bewegen und stellt sie als Punkte vor dem Hintergrund der sich in ihrer Position nicht verändernden Sterne dar. Aber wenn der Asteroid sehr schnell ist, hinterlässt er eine Spur, verbleibt auf dem Pixel vielleicht zwei Sekunden und ist nicht mehr zu sehen.

Jetzt benutzen wir CMOS-Cameras9 und ersetzen die CCD-Kameras. Eine typische Kamera, so wie sie an Observatorien gebraucht wird, belichtet zwischen 10 und 30 Sekunden. Diese Kamera hat vielleicht eine Sekunde Belichtungszeit und hat ein sehr geringes Hintergrundrauschen. Du machst z. B. eine fünf Sekunden Belichtung während fünf Minuten. Die Position des sich schnell bewegenden Asteroiden wird sozusagen eingefroren. Das nennt sich Synthetic Tracking10. Die Pixel, die den Asteroiden erfasst haben, werden übereinandergelagert und dadurch erscheinen die Sterne im Hintergrund als Striche.  Um die Flugbahn und die Position des Asteroiden zu errechnen, braucht es allerdings sehr leistungsstarke Computer. Ich habe z. Z. einen Computer mit einem i9 14-Kern-Prozessor. Mittlerweile ist in einem Computer das Bauteil mit der höchsten Rechenleistung die Grafikkarte. Das sind Karten für Typen, die auf ihren Rechnern Monster killen. Dieses Board hat eine Rechenleistung von 6 Tera-flops (floating point operations [Gleitkommaoperationen, Anm. d. Verf.] per second). Daran arbeiten wir zur Zeit hier auf SPACE. Ein Klient hat hier eine Kuppel mit vier Weitwinkelteleskopen und wir implementieren die Synthetic Technologie. Wenn dann das LSST die Arbeit aufgenommen haben wird, werden wir hier wohl arbeitslos und können fischen gehen.

Die Planetariumsbesucher in Bremen sind oft über die Menge an Asteroiden und Kometen verwundert, die in unserem Sonnensystem herumschwirren.
Wie erklärst du den Menschen, welchen Sinn deine Arbeit, die Beobachtung von Asteroiden, hat? Letztendlich haben wir keine Abwehrmöglichkeiten, d. h. keine Saturn V etc., auch gibt es wohl keine konkreten Pläne, wie wir uns gegen die Reste aus der Entstehung des Sonnensystems wehren könnten.

JA, es ist noch viel schlimmer. Stell dir einen Asteroiden vor, wie wir ihn in Armageddon oder Deep Impact präsentiert bekamen. Die waren so groß wie Texas. Solch einen Asteroiden hätten wir schon im 19. Jahrhundert entdecken können, weil er so hell wäre; den würden wir überall im Sonnensystem sehen. Also, wie ich schon sagte, ein Objekt wird entdeckt, der Orbit wird berechnet und wo er sich in 40-50 Jahren befinden könnte. Mehr als 100 Jahre können wir nicht berechnen, weil der Orbit sehr unsicher wird. Wenn wir also solch einen Asteroiden haben, beobachten wir ihn z. B. in 13 Millionen Kilometern, dann in einem schmaleren Bereich und wenn er bei 100.000 km immer noch in Erdnähe ist, dann sollten wir uns Sorgen machen. Wenn er dann zurückkommt, wird er radarüberwacht, weil das eine sehr präzise Methode ist. Dann kannst du bestimmen, in welches Land etc er fallen wird. Wenn es ein großer ist, solch einen haben wir aber noch nicht entdeckt, können wir gar nichts unternehmen, weil wir sie wegen ihrer Masse nicht ablenken können. Die kleinen lassen wir einfach fallen. Bei denen, die dazwischen liegen, könnten wir etwas unternehmen. Von den 1 km-Objekten entdecken wir jetzt 10 bis 15 pro Jahr. Dieses Inventar werden wir bald abgeschlossen haben. Wenn die 100m Objekte auf eine Stadt fielen, das wäre schlecht.

Statistik: Alain Maury (mit freundlicher Genehmigung)

Einige der Statistiken, die Alain im Januar 2019 in seinem Blog veröffentlichte, verdeutlichen seine Forschungsergebnisse zu NEOs (near earth objects). Er benutzte dazu Beobachtungsdaten der Asteroidengruppen Aten, Apollo und Amor.

Hier in Kürze: Diese Statistik bezieht sich auf die sog. Dinosaurierkiller. Der letzte wurde 2001 entdeckt, seitdem nicht mehr. Die ‚Inventarliste‘ gilt als abgeschlossen. Allen angsterfüllenden Schreckensszenarien zum Trotz wird es keinen solchen Asteroiden in naher Zukunft geben, der Homo Sapiens Existenz gefährdet.  

Stell dir vor, wir entdeckten einen 5m-Asteroiden. Von denen hatten wir übrigens bereits drei. Wir machen die Orbit-Berechnungen, benutzen die Ephemeriden, d. h. die Distanz zwischen der Sonne und der Erde gemessen in astronomischer Einheit, und wenn das Objekt bei 0,0001 ist, dann denkt man: ‚Wow, das ist eng.‘ Aber dann geht es zu 0,000…….1 und na ja. Bei der Monte-Carlo-Analyse werden bei jeweils angenommenen Abweichungen von der durch Beobachtung ermittelten Flugbahn wahrscheinliche Impaktmöglichkeiten errechnet. Wir hatten wie bereits gesagt drei davon. Einer kam im Sudan herunter, ein weiterer fiel in den Atlantik und einer dritter im Jahr 2018 in Botswana. Wir wussten, wo sie herunterkamen und keiner kam zu Schaden. Stellen wir uns vor, wir entdeckten einen 50 oder 100m-Asteroiden, kalkulierten seine Flugbahn und stellen fest, dass es einen Impakt gibt und wir nur noch eine Woche haben, wen willst du anrufen? ‚Hallo, ich bin ein Astronom und nächste Woche fällt auf Ihr Land ein Asteroid.‘ Die legen doch glatt auf, weil sie dich für einen Spinner halten. Fällt ein kleines Objekt auf besiedeltes Land, dann kann man natürlich noch evakuieren, aber wenn es sich um ein großes Objekt handelt, sagen wir 200-300m, dann kann die Evakuierung schon mehrere Wochen dauern.

Wie war das mit Tscheljabinsk?

Gutes Beispiel, denn es geht noch viel komplizierter. Wenn ein Asteroid an der Erde vorbeifliegt, bewegt er sich sehr schnell, aber wenn er auf dich zukommt, scheint er sich nicht zu bewegen. Und, der Asteroid, der in Tscheljabinsk landete, kam von der Sonne her. Da kannst du gar nichts mehr machen. Es gibt immer noch ein Risiko, das von Kometen ausgeht. Sie kommen von sehr weit weg. Wenn sie an der Erde vorbeifliegen, haben sie eine hohe Geschwindigkeit und die kinetische Energie ist entsprechend. Von den großen Asteroiden so um einen Kilometer haben wir ca 95% gefunden. Sollte einer der fünf Prozent für uns gefährlich werden, na ja, unwahrscheinlich.

Aber wir beobachten weiter. Die NASA findet den Löwenanteil, dann gibt es viele russische Amateure, die Deutschen waren früher aktiver, die Brasilianer machen viel, die Spanier haben sich ganz zurückgezogen. Früher, also vor 20 Jahren oder so, konnten Amateure leicht Asteroiden entdecken und sie nach ihren Liebsten, Popstars etc benennen.

Ich sah es immer mehr wie ein Spiel an, nicht um die Welt zu retten. Solange sie nicht auf Chile fallen, ist es ok. Falls einer auf Deutschland runterkommt, rufe ich dich an.

Oh, das ist sehr freundlich. Vielen, vielen herzlichen Dank, Herr Alain Maury.

Und dann wirst du es mir nicht glauben und sagen: ‚Ganz toller Witz, Alain.‘ und auflegen.

Carl Sagan sagte einmal: ‘Wir leben in einem gewaltigen und beeindruckenden Universum, in dem täglich Sonnen und Welten zerstört werden [und, Anm. d. Verf.] die Menschheit an einem unbedeutenden Erdklumpen hängt. Die Bedeutung unseres Lebens und unseres fragilen Umfelds hängt von unserer Weisheit und unserem Mut ab.’11

https://www.brainpickings.org/2013/07/08/carl-sagan-meaning-of-life/

Wie passt dieser Gedanke zu deiner Arbeit? Wie beeinflusst er deine Sicht auf die Existenz an sich?

So um 1990 hatten wir viele Treffen, auf denen wir erdnahe Asteroiden, Weltende-Szenarien etc diskutierten. Die Amerikaner sind selbstverständlich sehr interessiert an diesen Themen. Die haben die NASA mit einem enormen Budget und erforschten Planeten, Monde etc. Sie behaupten, es gäbe Leben auf Europa und wollen mehr Missionen dorthin schicken, aber die Wahrscheinlichkeit, dass sich dort Leben entwickeln könnte, in einem dunklen, sehr salzigem Wasser und niedrigem Energieniveau, ist doch sehr gering. Ich glaube auch nicht, dass wir Leben auf dem Mars finden, aber sie müssen sich weiterhin damit beschäftigen. Da hängen Tausende von Arbeitsplätzen dran. Ein großes Volumen der NASA geht an Firmen, die Raketen bauen etc. Da hängt also auch eine ganze Industrie dran. Bei den Treffen 1990/91 waren auch immer wieder mal Leute des Militärs dabei. Ich wunderte mich, was sie bei wissenschaftlichen Diskussionen verloren hätten. Der Einsatz von Atomwaffen und Satellitensystemen wurde diskutiert. Es war viel Geld im Spiel, das sie besser in die Bildung gesteckt hätten. Das war bitter nötig. Es gab Pläne, einen Asteroiden einzufangen, ihn nah an den Mond heranzubringen und dann zu untersuchen. Das ist sinnlos, denn die Asteroiden, die um den Mond kreisen, sind Teile des Mondes, die durch Impaktereignisse herausgeschleudert wurden. Sie könnten besser gleich zum Mond fliegen, um dann Mondgestein zu untersuchen. Ich denke, dass die ESA sich deutlich sinnvoller verhält. Stellen Sie sich vor, die NASA will die erdbeobachtenden Projekte einstellen, weil der Klimawandel angeblich nicht existiere.

Sind Marsmissionen dann sinnlos?

Ich bin auch der festen Meinung, dass wir hoch entwickelte Roboter zum Mars schicken sollten. Menschen müssten unter der Marsoberfläche leben. Zwischendurch kommen sie bei -80° C heraus, machen einige Experimente, ziehen sich wieder zurück. Wir sollten uns vermehrt um unseren Planeten kümmern. Wir brauchen Bildung. Wir brauchen weniger Menschen auf dem Planeten, aber einen hohen Bildungsstand. Zur Zeit geht der Trend eher zu mehr Menschen mit ständig niedrigerem Bildungsstand. Den Mars zu einer zweiten Erde zu machen, ist nicht der Weg, und ist für mich eine lächerliche Vorstellung. Wir brauchen weniger, aber gebildete Menschen, also eine Senkung der Geburtenrate. Gerade Frauen müssen gefördert werden. Sie brauchen Zugang zur Bildung.

Du sprachst vorhin die Filme ‚Armageddon‘ und ‚Deep Impact‘ an. Gibt es irgendeinen SciFi-Film, den du magst?

Oh ja, Star Wars usw, aber ich schaue sie mir wie einen Western an. Ich beurteile die Filme nicht und suche die Fehler heraus. Die Filme, die du nanntest, sind größtenteils dummes Zeug und fast die gesamte Zeit verbrachte ich lachend im Kino. Sie zeigten ein 100inch Teleskop auf dem Mount Wilson mit einem klitzekleinen Sichtfeld. Damit beobachteten sie keine Asteroiden und dann kommt jemand mit einem billigen, kleinen Teleskop und entdeckt den Asteroiden von der Größe Texas. Der Film 2001: Odyssee im Weltraum allerdings hat realistische Elemente. Ich las das Buch und wusste, dass das Ende an den Haaren herbeigezogen ist, als er z. B. an Messier 13 vorbeifliegt, aber z. B. die Darstellung des Raumflugs ist schon gut gemacht.

Gestern Abend fragte auch einer der Gäste nach Flügen zu anderen Planeten. Du nanntest vier Aspekte.

Ja, auf unseren Startours erkläre ich den Gästen, dass wir Luke Skywalker sehen, als er auf Tatooine in ein Sandwich beißt, dann rast er mit Überlichtgeschwindigkeit durch das Weltall, landet auf einem anderen Planeten und beißt zum zweiten Mal in sein Sandwich. Ich zeige ihnen dann einen Stern und erkläre, dass er 88.000 Lichtjahre entfernt ist. Dann sage ich ihnen, dass das erste Problem für solch bemannte Flüge zuerst die Finanzierung ist, denn welcher Politiker denkt weiter als an die nächste Legislaturperiode. Erst in 88.000 Jahren berühmt zu werden, ist nicht sehr verlockend.

Der nächste Grund sind die Ressourcen. Sagen wir, die Besatzung besteht aus 50 Menschen, jeder braucht dreimal pro Tag Verpflegung und das über 88.000 Jahre, welche Mengen allein an Lebensmitteln sollen mitgenommen werden? Dann leben diese Menschen auf engem Raum und werden sich wahrscheinlich gegenseitig an die Gurgel gehen. Es gab diese Projekte bereits. Sie haben sich zwar nicht gegenseitig umgebracht, aber es gab enorme Spannungen und Auseinandersetzungen.

Und auch die Reproduktion würde problematisch sein bei einer kleinen Population. Und dann gib es auch noch die Evolution. Schauen wir uns an, wie der Mensch sich in den vergangenen 30.000 Jahren von unterschiedlichen Menschentypen ausgehend entwickelte, vom Cro-Magnon usw. Dann können wir uns vorstellen, dass bei dreifacher Zeit, die vergeht, bis unser Raumschiff dort ankommt, keine Homo Sapiens mehr an Bord sind, sondern etwas ganz anderes. Nur mit einer gänzlich anderen Technologie könnten wir früher ankommen.

Dann stellt sich noch die Frage, nach den bewohnbaren Planeten. Wir vermuten, dass es zwischen 2 bis 3 Milliarden potenzielle Planeten gibt und haben ja auch Exoplaneten gefunden. Aber wir werden wohl eher sehr einfaches Leben dort vorfinden. Wenn es da draußen hoch entwickeltes Leben gibt, werden sie wohl eher zu uns kommen. Wir machen uns oft eine Vorstellung davon, wie das Leben aussehen könnte. Wer ist der berühmteste Außerirdische? Wenn ich dies meine Gäste frage, kommt gleich: E. T. Dieser Film ist realistisch. Diese Spezies kommt zu uns, sie sind cleverer als wir und sie waren sicherlich technologisch weiter entwickelt als wir, als sie ihren Heimatplaneten verließen, weil E.T. auf einem Fahrrad durch die Luft fliegt. Wir können das heute noch nicht. Aber hier angekommen ist er zu dämlich, die Startzeit seiner Rakete einzuhalten.

Du nanntest gestern Abend auch einen Science fiction Roman von Arthur C. Clarke, der dich beeindruckte.

Ein Film, der mir gefiel, basiert auf dem Roman von Arthur C. Clarke ‚Rendezvous with Rama‘12 (deutscher Titel: Rendezvous mit 31/439, erschienen 1973, Anm. d. Verf.), weil in diesem Film nach einem Impakt mit einem Asteroiden auf Italien ein Projekt ins Leben gerufen wurde mit dem Namen ‚Spaceguard‘. Durch Hollywood wurde also das Interesse an der Erforschung der Asteroiden geweckt und letztendlich die lang vorher geforderten Mittel bereit gestellt. Ich sagte der NASA damals, sie sollten sich den Begriff ‚Spaceguard‘ nicht so einfach aneignen und Arthur Clarke antwortete mir. Wow, war ich stolz.

Lass uns bitte ein weiteres Thema betrachten, das deine Arbeit betrifft. Es handelt sich um die Lichtverschmutzung, also ALAN.

In der Ausgabe der COSMO NOTICIAS vom 27. Juni 201314 las ich, dass Anstrengungen unternommen werden sollen, um die Lichtverschmutzung in den Regionen Antofagasta, Atacama und Coquimbo zum Schutz der astronomischen Beobachtungen zu regulieren. Es wurde ausdrücklich hervorgehoben, dass der optimale Himmel, den die Astronomen vor vielen Jahren hier in Chile vorfanden, zu verschwinden beginnt. Der Grund dafür wurde in dem Artikel mit drastischen Worten bezeichnet: mangelhaftes bis inexistentes Interesse der Behörden.

Wie beeinflusst Lichtverschmutzung Deine Arbeit hier in San Pedro? Gibt es Bestrebungen des Gemeinderates, dieses Problem ggf erst gar nicht aufkommen zu lassen? Schließlich lebt San Pedro in erster Linie vom Astrotourismus.

Hier bei uns zeigt sich das Problem von einer anderen Seite. Hier haben wir eine indigene Bevölkerung. Sie wählen nicht eine Partei, sondern eine Hautfarbe. Der jetzige Bürgermeister ist ein ehemaliger LKW-Fahrer. Er hat keinen hohen Bildungsstand. Wir müssen ihm die zugrunde liegenden Problematiken, also das Basiswissen, sehr behutsam und einzelschrittig nahebringen. Er muss überzeugt werden, dass es seine Idee war. Es gibt viel Ressentiments.

Das Fußballstadion ist so ein Beispiel. Es ist total verrückt. Wir müssen den Leuten erklären, dass sie genau dieselbe Menge an Licht auf dem Boden haben können, ohne dass es in den Himmel strahlt. Hier ist es so, dass derjenige, der für das Lichtmanagement verantwortlich ist, gar keine Ahnung davon hat. Es sollen keine LEDS hier eingesetzt werden, aber es passiert doch. Du musst den Einwohnern hier behutsam erklären, dass amberfarbene LEDs wie Natriumlicht sind. Hier fehlt es an Bildung. Wenn du als Weißer etwas sagst, wird dir nicht geglaubt. Es hat hier viel mit Psychologie zu tun. Die Informationen können nur über den gebildeten Teil der indigenen Bevölkerung an die wenig Gebildeten weiter gegeben werden. Es ist ein komplett anderer Kontext als in Europa.

Warum ist es ein anderer Kontext? Der Grad der Lichtverschmutzung in Europa ist deutlich höher.

In Europa, auf jeden Fall in Frankreich, beginnt man langsam zu verstehen, dass es dumm ist, nach 23 Uhr die Straßen zu beleuchten. Es ist Energieverschwendung für die vielleicht zwei Menschen, die auf der Straße herumlaufen.

Es ist der Job von Leuten wie mir, von mir sollte es mehr geben, die den Menschen das Universum nahebringen und die Zusammenhänge erklären.

Lass uns bitte nochmals auf die Rahmenbedingungen zurückkommen, die die Astronomie wesentlich beeinflussen. Im Valle del Elquí gibt es seit 2015 das erste internationale ‚Dark Sky Sanctuary‘. In diesem Zusammenhang wird auch von Chiles ‚Dark Sky‘ als einer natürlichen Resource gesprochen. Der Abbau von Rohstoffen wie Kupfer, Lithium oder Gold stellt eine weitere Säule der chilenischen Wirtschaft dar. In einigen Kilometern von San Pedro, hinter Toconao, und in der anderen Richtung bei Calama befinden sich Lithiumabbaugebiete bzw eine der weltweit größten Kupferminen ‚Chuquicamata‘.

Wie glaubst du, wird es möglich sein, für die Astronomie wertvolle Areale vor der Zerstörung durch den Bergbau zu schützen?

Oh ja, das hat sich verschlechtert, aber das wirkliche Problem kommt aus San Pedro. Es wächst und wächst. Als ich hier ankam, konnte man kein Licht aus San Pedro sehen. Es war alles dunkel. Als ich noch bei der ESO arbeitete, kam ich oft in meinem Urlaub hierher. Wir lebten zuerst in San Pedro in billigen Hotels, um ein passendes Gelände zu finden. Ich brachte meine Teleskop mit, denn von San Pedro aus konnte ich die Sterne sehr gut sehen. Sie hatten hier damals einen kleinen Generator und immer wenn ein Film zu Ende war, ging schlagartig das Licht aus. Ich konnte in San Pedro wirklich die Milchstraße fotografieren. Aber die Beleuchtung nahm immer mehr zu. Die ‚Astrotourism Association‘, von der ich der Vorsitzende bin, wahrscheinlich weil ich der Älteste und ihr Gründer bin, nahm Gespräche mit den Gemeindemitgliedern und der Oberbürgermeisterin auf, ob das Licht nicht reduziert werden könnte, aber sie wurden fast schon ausfallend: ‚Wer denken Sie, wer Sie sind?, ‚Das Stadion entpricht den Verordnungen.‘, ‚Sie sind gar kein Chilene.‘ usw.

Es wurden zwar Veränderungen vorgenommen, z. B. bei der Ausrichtung der Beleuchtungskörper und es dürfen keine LEDs eingesetzt werden. Es gibt natürlich Auflagen von hier bis nach La Serena, die gesetzlich verpflichtend sind und den Klassen 2 bis 4 entsprechen. Rein theoretisch soll Licht nicht über den Horizont hinausgehen, um den Nachthimmel zu schützen. Es gibt also Gesetze, aber niemand misst und überprüft es. Wir halten also weiterhin Kontakt, um z. B. Skybeamer (cannon of lights, Originalausdruck Alain Maury), die gern bei Parties eingesetzt werden, zu verhindern. Sie können sich vorstellen, wie solch ein Licht unsere Beobachtungen mit dem Teleskop sabotieren kann oder auch bei unseren Startours. Ich fürchte, die Überzeugungsarbeit wird noch viel, viel Zeit kosten. Leider steigt die Lichtverschmutzung stetig an.

Dieselben Worte hörten wir von Dr. Malcolm Smith, als er uns erzählte, dass er in den 1960ern die Milchstraße sogar in La Serena sehen konnte. Heute ist das undenkbar. Wir hatten diese Lichtstörungen auch in Cancana erleben müssen, als in der Sporthalle neben dem Observatorium das Licht eingeschaltet wurde, gerade als wir unsere Fotoausrüstung aufgebaut und eingesüdet hatten.

Ein Witz am Rande: Was denkst du, woher die hellste Lichtquelle stammte, die die Astronomen auf Las Campanas störte?

Wahrscheinlich aus La Serena?

Nein. Das Licht kam aus der Sporthalle von La Silla. (schallendes Lachen)

Es ist also problematisch, die Verantwortlichen in San Pedro zu überzeugen.

Also, das Gesetz besagt zwar, dass Observatorien vor Lichtverschmutzung geschützt sein müssen, aber was ein Observatorium ist, das wiederum ist Definitionssache. Bei Tololo, Paranal, La Silla ist es offensichtlich, aber hier? Wir machen genauso unsere wissenschaftliche Arbeit. Die Frage ist, ob jemand, der ein Teleskop im Garten stehen hat, bereits als Observatorium betrachtet werden kann. Hast du also einen bösen Nachbarn, dann schaltet er in seinem Garten sein Flutlicht an und du hast keine gesetzliche Handhabe, es durch die Polizei unterbinden zu lassen. Das Konzept der Dark Sky Reserves usw. kann hier kaum umgesetzt werden, weil es wirklich schwer ist, die indigene Bevölkerung zu überzeugen, das Licht zu reduzieren. Wir versuchen ihnen klar zu machen, dass die Energie, die sie jetzt verschwenden, den zukünftigen Generationen fehlen wird. Sie betrachten sich als naturverbunden und wir sind nur dumme Stadtbewohner. Wenn du ihnen erklärst, dass die Beleuchtung Insekten tötet, dann winken sie ab. Wir hatten einen Fall, in dem ein nach oben geöffneter Mast mit einem Durchmesser von 10 cm oder mehr oben einen Beleuchtungskörper hatte, der zum Himmel strahlte. Als wir den Mast abbauten, fanden wir auf einen Meter Höhe alles tote Vögel.

Was erzählst du den Menschen, die Ihre Astrotouren buchen? Wie bringst du ihnen den Kosmos näher und welche Zusammenhänge vermittelst du ihnen in den 2 ½ Stunden?

Die Menschen betrachteten den Himmel als abgetrennt von der Erde, denn die Sterne fielen nicht auf die Erde. Wenn du einen Apfel nimmst und ihn loslässt, dann fällt er herunter, Sterne nicht. Sie scheinen endlos zu rotieren. Wenn du dich auf der Erde bewegst, musst du Kraft aufwenden. Die Menschen erkannten schnell, dass dies eine schlechte Welt war, auf der du leiden, schuften und schwitzen musstest, dann wurdest du krank und starbst. Wenn du artig warst, gingst du in den Himmel. Da hattest du Musik umsonst, sahst deine Familie wieder, … und andere schöne Dinge. Aber die hatten wiederum Mütter, wow, d. h. du hattest gleichzeitig viele Schwiegermütter, schwierig.

Galileo erkannte, dass der Mond Berge hatte. Du konntest also auf dem Mond laufen. Also war der Himmel der Erde schon gleich. Newton erkannte das Gravitationsgesetz, das universell ist, also gilt es überall, oben wie unten, ergo gab es keinen magischen Ort. Die Erde war flach und mit Luft gefüllt. Die Jungfrau Maria und Jesus gingen in den Himmel nach ihrem Tod, was eine dumme Vorstellung ist, denn wenn du in den Himmel aufsteigst, stirbst du. Wir begriffen, dass je höher du in der Atmosphäre aufsteigst, desto weniger Luft ist vorhanden und es wird extrem kalt. In einem Flugzeug hast du erst – 60°C, dann -100°C. Der Himmel ist kein guter Ort zum leben. Der gute Ort ist hier.

In der Bibel steht geschrieben, dass Gott Himmel und Erde erschuf. Dort steht nicht, dass er das Universum vor knapp 14 Milliarden Jahren erschuf. Wenn es einen Gott gäbe, der das Universum erschuf, würde er sich wohl kaum darum kümmern, ob jemand Schweinefleisch isst oder nicht. Es mag sein, dass es so etwas wie einen Gott oder natürliche Vorkommnisse bei der Entstehung des Universums gab, die wir einfach nicht verstehen können, aber warum sollte es für diese Entität wichtig sein, ob ich Schweinefleisch esse.

Die Menschen, die SPACE besuchen, bringen sehr unterschiedliche Vorkenntnisse und Interessen mit. Magst du ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern?

Als Alejandra und ich die Startours begannen, kamen nur an Astronomie Interessierte. Am Anfang waren es vielleicht nur acht Leute und wir mussten wirklich scharf kalkulieren. Es gab Zeiten, da wussten wir nicht, ob wir es mit der Lodge finanziell schaffen würden. Jetzt sind es pro Nacht ca 150 und ich behaupte, dass es eine Erfolgsgeschichte geworden ist. Ich mag diese Arbeit, auch wenn es immer dasselbe ist. Wenn die Menschen am Ende einer Tour sagen können: ‘Das ist Mars.’, dann habe ich etwas erreicht.

Wir haben jetzt hauptsächlich Gäste mit wenig astronomischem Hintergrundwissen. Es ist manchmal schon erschreckend. Viele wissen nicht, dass Sterne Sonnen sind oder dass der Mond kein Stern ist. Nun denn, sie lernen und haben einen schönen Abend. Ich mache Witze, damit es nicht langweilig wird. Ich habe auch festgestellt, dass dort, wo ein gutes Bildungsniveau herrscht, es viel weniger religiöse Ansichten gibt, oder auch an Astrologie geglaubt wird. Eine Geschichte, die ich den Gästen gern erzähle, es handelt sich um eine wahre Geschichte, ist folgende: In San Pedro sprach mich der Besitzer des Internetcafés an: ‘Alain, Alain, ich hab eine Frage. Wo ist Pluto?’ Ich sagte ihm, dass Pluto seit drei Jahren im Schützen sei. Er begann zu klagen: ‘Ich wusste es. Ich wusste es. Meine Frau hat mich verlassen. Ich hatte Ärger mit der Steuer, alles geht nur den Bach runter.’ Ich traute mich kaum, es ihm zu sagen, dass Pluto in 248 Jahren um die Sonne rotiert und wenn er in die Konstellation eintritt, bleibt er dort für 20 Jahre. So gesehen könne er sich gleich die Kugel geben. Ich sagte ihm: ‘Wenn deine Frau dich verlassen hat, gibt es bestimmt ganz andere Gründe. Denk mal darüber nach. Ich versichere dir, Pluto kann nichts dafür.’

Ich bekomme ja auch Bewertungen, also 1 bis 5 Sterne. Einige Male bekam ich sehr schlechte Noten, hauptsächlich von religiösen Menschen. Ich mache eben halt gern meine Witzchen, z. B. wenn ich über die Milchstraße spreche. Also: ‘In der griechischen Mythologie heißt es, dass die Milchstraße die Milch der Hera ist, der Ehefrau von Zeus. Zeus hätte ein Produzent in Hollywood sein können. Er verbrachte seine Zeit damit, den Frauen hinterher zu steigen und hatte viele Kinder, die waren Halbgötter und sterblich. Jesus war anders. Er war 30 Jahre alt, hat noch mit seinen Eltern gelebt, hatte vielleicht eine Freundin, aber … er hatte 12 Freunde.’ Ein Typ war daraufhin ziemlich sauer und gab mir schlechte Noten. Mann, das war ein Witz. Oh je. – Auch wenn Sie die Astrologie als Blödsinn bezeichnen, oder vielleicht sogar als Betrug, haben Sie großen Ärger, besonders wenn ein Astrologe in der Gruppe ist. Die astronomischen Fakten überzeugen einfach nicht.

Willst du Astrofotografie in nur einer Sitzung lernen? Jede Kamera und jedes Objektiv sind geeignet. – Foto: Lutz Dörpmund – s. Fußnote 15

Wir haben pro Jahr zwischen 15.000 bis 17.000 Gäste. Aber vor vier Monaten kam eine französische Gruppe und ich hatte meinen ersten Außerirdischen hier. Die Leute fragen mich immer nach UFOs und ich sagte ihnen, dass, wenn sie kommen, sie ganz sicher so weit entwickelt sind, dass sie uns als Tiere betrachten. Wir werden nicht auf Augenhöhe sein. Wenn sie kommen, dann brauchen sie etwas. Also, um auf die französische Gruppe zurück zu kommen. Meistens frage ich sie: ‘Was können Sie mir am Himmel zeigen?’ Sie wissen meistens wenig oder gar nichts, manche erkennen gerade den Mond. Vor vier Monaten hatte ich also diese Gruppe hier und sie sagten sofort: ‘Das ist Alnitak, Mintaka und Alnilam, die drei Gürtelsterne des Orion.’ Wow, wow, Ich war beeindruckt. Die ganze Tour wurde dann sehr merkwürdig, denn immer wenn ich etwas sagte, verneinten sie es. Z. B. ‘Nichts kann sich schneller als mit Lichtgeschwindigkeit durch den Raum bewegen.’ Die Antwort kam: ‘Nein, natürlich können wir das.’ Ich: ‘Nein, das geht nicht.’ Sie: ‘Doch, durch Telepathie.’ Schließlich begriff ich, dass es sich um eine Sekte handelte. Dabei war eine Frau, die behauptete, dass sie vom Sirius stammt. Ich hatte also meine erste Außerirdische. Was ich mir dachte, sag ich lieber nicht. Mit manchen Menschen ist es nicht leicht. Sie sprechen dann von positiver Quantenenergie und ich frage sie, was Quantenenergie denn sei und was negative Energie sei. Viele solcher Geschichten, die gibt es, die von dem Inder Chopra beeinflusst wurden.

Aus den Reihen der Naturwissenschaftler, besonders der Quantenphysiker, gab es vor geraumer Zeit einen heftigen Aufruhr wegen Chopras Behauptung, dass es eine ‘Quantenheilung’ gäbe.

Ja, solch eine Gruppe hatte ich hier. Ich checkte die Reiseagentur und stellte fest, dass ein Guru die Tour gebucht hatte. Die französische Leiterin behauptete, dass sie im Alter von 16 Jahren einen Kristallregen empfangen habe und macht jetzt Channeling, um mit Außerirdischen zu sprechen. Deshalb kamen sie in die Atacama. Was mich dabei am meisten entsetzt, ist die Tatsache, dass so viele Menschen keine Kenntnisse von der Physik haben, wie Wissenschaft betrieben wird. Stattdessen wird sie verteufelt, ohne dass die Menschen begreifen, dass das gute Leben, das wir führen, nur aufgrund der Naturwissenschaften möglich ist. Ich schrieb letztens für ein Magazin: ‘Wenn alles, was wir unter Spiritualität verstehen, heißt, dass wir mit dem Schöpfer des Universums sprechen, dann stimmt was nicht. Spirituelle Menschen, also die, die ihren Geist (spirit, lt Alain Maury, Anm. d. Verf.) benutzen, siehst du auf dem Foto der Solvay-Kongress 1930.’

Aber es gibt doch auch andere Gäste.

Aber Ja. Wir haben aber auch ganz andere Begegnungen hier. Ab und an nehmen Menschen im Rollstuhl teil. Wir überlassen ihnen dann das Teleskop mit dem tief angebrachten Okular, denn sie können ja nicht die Leiter hoch klettern. Wir hatten auch zwei blinde Menschen hier. Zunächst dachte ich: ‘Blinde Menschen und eine Startour? Wie mache ich das? Sie sehen doch nichts durch das Teleskop.’ Natürlich brauchten sie kein Teleskop, aber ich nahm den Laser und die Hände des Mannes und führte an den Linien des Skorpions entlang. So bekam er ein Gespür für die Sterne.

Ich würde jetzt gern mit meinen Fragen in eine andere Richtung gehen. Ok?

Ok. Was willst du wissen?

Die Sprache der Naturwissenschaften benutzt hauptsächlich den Konjunktiv. Wünscht du dir nicht, in naturwissenschaftlichen Fragestellungen den Indikativ vermehrt benutzen zu können?

Nein. In allen Wissensfeldern gibt es vier Bereiche:

Das, was wir wissen. Das, was sehr wenig wahrscheinlich ist, dass es sich je verändern wird. Das, was ziemlich wahrscheinlich ist und der Bereich der verrückten Ideen. Einige sind richtig – einige sind nur verrückt.

Im Jahr 1000 zu sagen, dass die Erde ein Globus sei, war eine verrückte Idee. Dann schauten wir uns um und betrachteten die Möglichkeit, dass die Erde rund sei und jetzt wissen wir, dass sie rund ist. Wir wissen auch, dass sie kein Kubus ist, keine Pyramide und auch nicht flach.

Es gibt in den Naturwissenschaften immer Dinge, die wir als vorausgesetzt oder sicher  betrachten, z. B. den Big Bang. Für viele Leute ist er real, für mich ist er eher möglich. Da gibt es viele Ungereimtheiten. Wir wissen, dass die Physik korrekt ist. Es gibt dunkle Energie, dunkle Materie, etc. Solange diese Dinge noch nicht vollständig verstanden sind, können wir keine hundertprozentigen Aussagen zum Big Bang machen. Für mich ist der Big Bang eher unwahrscheinlich. Hätten wir Einstein 1905 die Idee unterbreitet, dass das Universum als ein Punkt begonnen haben könnte, hätte er es als verrückte Idee abgetan. Es mag wahrscheinlicher werden, vielleicht gibt es noch mehr Beweise irgendwann, die verifiziert werden, dann kann es auch zu einer anerkannten Tatsache werden. Also: die Erde ist ein Planet, die Sonne ist ein Stern, wir leben in einer Galaxie, darüber sind wir uns alle zu hundert Prozent einig. Wir würden niemals sagen, die Erde könnte ein Globus sein. Wir haben sie sehr genau ausgemessen, wir wissen es. Und der Rest … .

Dann stelle ich die Frage noch einmal anders. In welchen Bereichen, z. B. in der Astronomie, Astrophysik etc., in denen es heute noch keine bestätigten Erkenntnisse gibt, hättest du gern eine definitive Antwort? Welche Fragen würdest du stellen?

Für mich wäre es das dunkle Universum. Es gibt zwei große Felder, die mich interessieren, in die jetzt auch gerade viel Geld fließt. Wie ich bereits sagte, Asteroiden waren früher die Domäne für Loser, heute wird viel Wind drum gemacht, doch in dem Bereich werden wir bald alle Antworten haben. Exoplaneten und Leben auf anderen Welten sind Bereiche, in denen ich gern mehr wüsste. Es wäre schon sehr sehr überraschend, wenn unser Planet der einzige mit Leben wäre. Wenn wir einen Planeten mit Wasser finden und entdecken, dass es Leben gibt, werden die Leute wieder durchdrehen. Das hatten wir früher schon. Wir wussten, dass es Planeten geben muss, entdeckten ganz merkwürdige Dinge, dass es Planeten um Doppelsterne gibt, das hatten wir nicht vermutet. Wir entdeckten Planeten, die sich nicht in derselben Rotationsebene drehen, in der sich der Mutterstern um sich selbst dreht. Wir fanden merkwürdige Dinge heraus. Aber das sind keine fundamentalen Erkenntnisse. Wenn du mir sagstest, dass jemand Leben auf einem anderen Planeten gefunden haben, würde ich sagen: ‘Und – was noch? Es muss ja so sein.’ Es würde ganz einfaches Leben sein und die Wahrscheinlichkeit, dass das Leben Technologien entwickeln wird, ist unendlich gering.

Es ist also das dunkle Universum nach dem du Mephistopheles fragen würdest?

Ja, … ‘Was ist das dunkle Universum? Was ist die dunkle Materie?’ Als ich nach Chile kam, arbeitete ich an der ‘sky map DENIS’ im Infrarotbereich. Als wir die dunkle Materie erforschten, untersuchten wir Galaxien und stellten fest, dass sie massiver sein mussten, als sie uns erschienen. Wenn du eine Galaxie siehst und sie scheint mit 100 Milliarden Sonnen, dann ist das so, weil sie 100 Milliarden Sonnen beinhaltet. Wäre es nicht so, würde sie nicht so hell scheinen. Also die Masse einer Galaxie ist 100 Milliarden Sonnenmassen. Aber unsere Forschung zeigte, dass die Masse um den Faktor 5 bis 10 höher ausfällt, also, dass es etwas geben musste, dass Masse hat, aber nicht mit Licht interagiert. Das ist das, was wir dunkle Materie nennen. Die erste Erklärung war, dass es zwischen den Sternen viele Planeten gibt, also instellare Planeten, die für die fehlende Masse verantwortlich sein könnten. Es konnten aber auch schwarze Löcher sein oder dunkle Zwerge, die sehr kalt sind. Also kalte Materie könnte es erklären. Zwei Programme wurden ins Leben gerufen: In Frankreich wurde das Expérience pour la Recherche d’objet sombres’16 [EROS, Experiment zur Erforschung dunkler Objekte, Anm. d. Verf.], das 1995 begann. Ich war daran von 2000 bis 2003 beteiligt. EROS ließ den Schluß zu, dass dunkle Objekte für einige Prozent der fehlenden Materie verantwortlich sein könnten. Danach sagten andere ‘Nein, das ist es nicht. Wir vermuten, dass es Partikel sind.’ Vielleicht haben einige Neutrinos Masse. Wir versuchen immmer noch zu verstehen, was dunkle Materie ist. Also, wenn du mich fragst, muss ich immer noch sagen: ‘Ich weiß es nicht.’ Aber: Dank Eros lernte ich meine Frau kennen.

Da ist also noch eine Menge offen.

Ganz ehrlich, ich habe eine Menge Fragen, die ich nicht beantworten kann, z. B. das dunkle Universum, die dunkle Materie.

Als Astronomom arbeiten sie nur in einem Bereich. Meine Domäne ist die Beobachtung erdnaher Objekte und Asteroiden. Was ich über Galaxien weiß, ist nicht das, woran Astronomen zur Zeit arbeiten. Ich habe das Glück, gute Kontakte zu Astronomen von A.L.M.A. zu pflegen. Wenn Kollegen z. B. zum Paranal kommen, schauen sie bei mir herein. Astronomen sind arme Leute, weißt du, wenig Gehalt, und wenn sie die Chance haben, nach Chile zu kommen, bringen sie ihre Familie mit, besuchen die Atacama und schauen auch bei dem Franzosen vorbei, denn die Reise wird bezahlt. Ich nutze natürlich die Gelegenheit und quetsche sie über ihre Domäne in der Kosmologie etc aus.

Mein Job hier auf SPACE ist es, wenn möglich ALLES zu erklären. Hier kommen eine Menge Fragen an: UFOs, Leben im Universum, Big Bang, schwarze Löcher, Außerirdische etc etc etc. Manchmal werden Fragen gestellt, die sich auf eine Pressemitteilung beziehen und du weißt es nicht, willst aber auch nicht wie ein Dummkopf dastehen, also fängst du zu lesen an. Wenn du mit Astronomen aus dem jeweiligen Spezialgebiet sprichst, erkennst du schnell, dass nicht alles ganz so spektakulär ist. Sie arbeiten in ihrem Gebiet und können dir Dinge erzählen, die noch nicht veröffentlicht sind, d. h. evtl nur in wissenschaftlichen Zeitungen und nicht für die breite Öffentlichkeit. Ich rate meinen Besuchern, wenn ihr ein Buch aus dem Jahr 1990 findet, kauft es nicht. Zwischen 1990 und 1998 gab es drei große Revolutionen. 1992 entdeckten wir den transneptunischen Gürtel. Früher wurden Asteroiden auch als transneptunische Objekte, TNOs, bezeichnet. Wenn Sie nach Observationszeit für Asteroidenbeobachtung anfragen, bekommen sie keine. Ich sagte Ihnen bereits, Asteroiden sind für Loser. Also nennen sie sie TNO und nicht TNA. 1995 entdeckten wir den ersten Exoplaneten und 1998 entdeckten wir die dunkle Energie. Was wir heute in Büchern zur Kosmologie finden, ist ca fünf Jahre altes Wissen.

Du hast hier auf SPACE den Glanz des Universums direkt vor der Tür. Für viele Menschen, so wie für Lutz und mich, geht auf solch einer Reise ein Traum in Erfüllung. Wovon träumt Alain Maury?

Zwei Träume haben Alejandra und ich uns bereits erfüllt. Der eine war die Antarktis. So wunderbar, die Pinguine, Eisberge, die Wale, einfach umwerfend. Der andere ist Polinesien, die Strände, das türkisfarbene Meer, die Haie. Sie sagen, die Haie seien nicht gefährlich, aber sie sind schon furchteinflößend. Als ich in einer Lagune schwamm, zog einer von ihnen unter mir seine Bahnen. Du denkst dann schon, hoffentlich beißt er mir nicht mein Bein ab. Wenn ich in ca. vier bis fünf Jahren mich aus dem Geschäft zurückziehe, werden wir wohl viel reisen. Ein Traum, den wir uns erfüllen werden, schon bald, ist ein Zero G Flug, ‚that will be the most expensive vomit of my life‘ (Originalausdruck Maury). Ich sag immer: ‚Ich möchte mit einem Lächeln auf meinem Gesicht sterben. Ich mag nicht der Reichste auf dem Friedhof sein, aber ich habe mein Leben genossen.‘

Es war bereits nach Mitternacht und Alain ging zu seinem neuesten, natürlich selbst konstruierten und gebauten Teleskop, um es für die kommende Saison vorzubereiten. All die gewonnenen Informationen schwirrten noch wie die Asteroiden und Meteoriden in unseren Köpfen. Alain Maurys Expertise in seinem Spezialgebiet ist beeindruckend und dadurch relativieren seine Forschungsergebnisse viele der verwirrenden Nachrichten und Schreckensszenarien, die uns weismachen sollen, dass wir uns vor ‚Killerasteroiden‘ dringend schützen müssen, ergo viel Geld in Abwehrsysteme investieren sollen, die u. U. nur eine Branche finanziell wachsen lässt.

Vielleicht lässt es sich ein wenig besser schlafen, wenn er seinen Gästen auf einer StarTour, mit frechem Witz und Charme seine Sicht auf die Welt der Asteroiden mitteilt und über die Unwahrscheinlichkeit eines Impakts aufklärt – hoffentlich ohne ihnen Bilder aus dem Minor Planet Center17 zu zeigen J.   

Konzeption, Durchführung und Auswertung des Interviews, Übersetzungen aus dem Englischen und Spanischen und Fotos: Karin Cornelia Dörpmund – Technik (Videoaufzeichnung und Fotos), fachwissenschaftliche Beratung und Redaktion: Lutz J. Dörpmund

Quellenverzeichnis:

Liste der entdeckten Asteroiden: 9
(3838) Epona 27. November 1986
(4404) Enirac 2. April 1987
(4482) Frèrebasile 1. September 1986
(4558) Janesick1 12. Juli 1988
(5370) Taranis 23. September 1986
(11284) Belenus 21. Januar 1990
(21001) Trogrlic 1. April 1987
(120452) 1988 NA 6. Juli 1988
(152188) Morricone2 27. August 2005
1 zusammen mit Jean Mueller 2 zusammen mit Franco Mallia
  1. Im Zeitraum von 1980 bis 1990 entdeckte er insgesamt 9 Asteroiden,teilweise während seiner Teilnahme am OCA-DLR Asteroid Survey (ODAS). Daneben ist er der Entdecker des periodischen Kometen 115P/Maury sowie der Mitentdecker des nichtperiodischen Kometen C/1988 C1 (Maury-Phinney). (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Alain_Maury_%28Astronom%29, abgerufen am: 12.04.2019, 15:31h)
  2. ‚Life, the Universe and Everything‘ ist das dritte Buch der fünfbändigen Reihe des ‚Hitchhiker’s Guide to the Galaxy(dter Titel: Per Anhalter durch die Galaxis), einKlassiker des Science-Fiction des britischen Autoren Douglas Adams.
  3. http://www.spaceobs.com/en/Alain-Maury-s-Blog/Is-wild-capitalism-the-best-humanity-has-to-offer-to-the-Solar-System;
  4. Karte: http://www.viviendochile.cl/ – Diese Karte finden Sie in s/w in der Januarausgabe 2019 und in Farbe in der Aprilausgabe 2019 der Olbers-Nachrichten.
  5. Planet-Crossing Asteroid Survey – Der Palomar Planet Crossing Asteroid Survey (PCAS) wurde im Jahr 1973 von Eleanor F. Helin und Eugene M. Shoemaker ins Leben gerufen. Das Ergebnis des Programms ist die Entdeckung mehrerer tausend Asteroiden aller Typen einschließlich einer Vielzahl von erdbahnkreuzenden Asteroiden und 20 Kometen. PCAS lief nahezu 25 Jahre lang und wurde im Juni 1995 beendet. [aus: Thomas H. Burbine: Asteroids – Astronomical and Geological Bodies. Cambridge University Press, Cambridge 2016, ISBN 978-1-10-709684-4, S. 252ff. Near-Earth Asteroid Surveys] Es ist der unmittelbare Vorläufer des vom JPL und der NASA betriebenen Projekts Near Earth Asteroid Tracking (NEAT). (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Planet-Crossing_Asteroid_Survey, abgerufen am: 21.04.2019, um 14:06h)
  6. S. 5)
  7. ODAS (Abkürzung für OCA-DLR Asteroid Survey, wobei OCA für Observatoire de la Côte d’Azur und DLR für Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt steht) ist die Bezeichnung für ein Asteroiden-Suchprogramm, das von 1996 bis 1999 vom Observatoire de la Côte d’Azur in Kooperation mit dem Institut für Planetenforschung des DLR betrieben wurde. Mit Hilfe eines nördlich von Nizza stationierten 90-cm-Schmidt-Teleskops wurden über 2.000 Asteroiden (darunter auch fünf erdnahe Objekte) und ein Komet entdeckt. Nachdem die ODAS-Himmelsüberwachung aufgrund von Mittelkürzungen eingestellt werden musste, wurden die Forschungen mit UDAS (ab 1999) und ADAS (ab 2001) weitergeführt. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/OCA-DLR_Asteroid_Survey, abgerufen am: 12.04.2019, 15:21h)
  8. https://en.wikipedia.org/wiki/Pete_Worden#International_Space_University
  9. A CMOS Camera is the economical alternative to a CCD Camera. The process by which these sensors are made is one of their most important features.  Since the image sensor and image processing circuit are made with the same process, light detection and analog to digital signal processing can be done on the same chip, which cuts down the steps to manufacture, hence making the production faster and cheaper.

CMOS sensors have the ability to read and process an image as efficiently as one single pixel at a time due to the integrated image processing circuitry. Since there is no need to shift electrons (as you would in a CCD camera), the power consumption of these devices is also reduced significantly. (Quelle: https://optcorp.com/collections/cmos-camerasabgerufen am: 27.04.2019, um 18:19h)

  1. https://medium.com/the-physics-arxiv-blog/synthetic-tracking-set-to-revolutionise-near-earth-asteroid-discovery-74e8fdba42bf
  2. https://www.brainpickings.org/2013/07/08/carl-sagan-meaning-of-life/
  3. https://en.wikipedia.org/wiki/Rendezvous_with_Rama#Non-fictional_aspects
  4. Die Installation von AMOS ist ein wichtiger Schritt in Richtung umfassender Himmelsüberwachung auf der ganzen Welt und somit die Möglichkeit, die Auswirkungen von noch kleineren Körpern im Notfall zu überwachen und genau zu bestimmen. (https://www.webnoviny.sk/na-havaji-nainstalovali-zariadenie-na-sledovanie-meteroritov-amos-ktore-vyvinuli-slovenski-vedci/impact-earth-meteor-in-route-collision/ – abgerufen: 20190526, um 16:56h)

BRATISLAVA, 15. Oktober (WebNoviny.sk) – Astronomen der Comenius University (UK) in Bratislava haben ihre astronomische Originalausrüstung an erstklassigen Observatorien auf den Hawaii-Inseln installiert. AMOS System (All-Sky Meteor Orbit System) eingeführt, um die Spitzen von Vulkanen Haleakala und Mauna Kea. Das AMOS-Himmelsbeobachtungssystem und die Meteorpfade wurden am astronomischen und geophysikalischen Observatorium der Fakultät für Mathematik, Physik und Informatik der Comenius-Universität (FMFI UK) in Modra entwickelt. AMOS bietet wissenschaftliche Informationen über die Meteoroiden und indirekt ihre Mutterkörper, Kometen und Asteroiden. ( … )

„Durch die Aufstellung des Geräts in astronomischen Observatorien in Höhen über 3000 und 4000 Metern über dem Meeresspiegel, in Gebieten mit dunklem Himmel und ausgezeichneten Sichtbedingungen, erzielt AMOS eine hohe Effizienz. Diese Installation nach und nach ein Netz von Stationen auf der ganzen Welt bauen umfassend die Zufluss Meteoroiden Partikel in die Erdatmosphäre zu überwachen „, sagte Juraj Tóth, Comenius Universität Astronom und Co-Autor des Systems.

(https://www.webnoviny.sk/na-havaji-nainstalovali-zariadenie-na-sledovanie-meteroritov-amos-ktore-vyvinuli-slovenski-vedci/– abgerufen: 20190526, um 17:06h) – Übersetzung aus dem Slowakischen per Google-Translater

  1. http://www.cosmonoticias.org/contaminacion-luminica-y-su-regulacion/
  2. Spanischsprachiges Werbeplakat – Übersetzung: Du willst Astrofotografie in nur einer Sitzung lernen, rufe unter … an, alle Spiegelreflexkameras und Objektive sind geeignet, wenn du keine hast, haben wir die Ausrüstung.
  3. Quelle: https://fr.wikipedia.org/wiki/Mati%C3%A8re_noire#Conclusions_des_programmes_MACHO,_EROS_et_AGAPE (abgerufen: 20190410, um 15:09h)

EROS (Experience pour la Recherche d’Objet Sombres) is a French program to detect and study dark objects in the Galaxy, including brown dwarfs and MACHOs, through their gravitational microlensing effects on stars in the Large Magellanic Cloud. It employs the Schmidt camera and a charge-coupled device at the European Southern Observatory. (Quelle: http://www.daviddarling.info/encyclopedia/E/EROS.html (abgerufen: 20190410, um 15:01h)

  1. https://www.minorplanetcenter.net/iau/lists/Amorsq.html (abgerufen: 20190526, um 17:28h)

Wir haben eine Antwort auf unsere Petition bekommen.
Die Stellungnahme erfolgte am 08.08.2022 durch die Senatorin Dr. Maike Schaefer:

Eine Beleuchtungsplanung beinhaltet stets einen Kompromiss aus Insektenschutz, Energieeffizienz, Wartungsfreundlichkeit, der Beleuchtungspflicht z.B. bei Gefahrenstellen, den Anliegerwünschen und den technischen und politischen Vorgaben.

Bei Neuanlagen/Erneuerungen in LED-Technik werden die Leuchten automatisch in den Nachtstunden (22:00 bis 06:00 Uhr) auf 50% reduziert. Eine Abschaltung von Einzelleuchten (z.B. jede zweite Leuchte) ist nicht DIN-konform und führt aufgrund der Nichteinhaltung der Gleichmäßigkeit zu dunklen Flecken und somit zu gefährlichen Situationen. Die Verkehrssicherheit ist dann nicht mehr gegeben.

Eine weitere Beleuchtungsreduzierung ist in Einzelfällen möglich, z.B. gering frequentierte Grünanlagen und Wege. Die Möglichkeiten werden in der Stadt Bremen für jeden Einzelfall geprüft. Grundsätzlich sollten in Bremen Wege in Grünanlagen nicht beleuchtet werden. Nur wenn wichtige Kriterien wie z.B. Schulwegsicherung oder wichtige Erschließungsfunktion erfüllt werden, werden in Ausnahmefällen auch Grünanlagen beleuchtet.

Bei Verkehrsstraßen sind diesbezüglich kaum Möglichkeiten zur weiteren Reduzierung gegeben, da die aktuelle DIN zur Bemessung von Beleuchtungsanlagen auch weiterhin Berücksichtigung finden muss. Allerdings wurden an Autobahnen (zum Beispiel der A270), Zubringern, dem Nordwestknoten etc. große Beleuchtungsanlagen bereits abgeschaltet bzw. zurückgebaut, was insbesondere auch dem Insektenschutz zu Gute kommt. Weitere Abschaltungen sind geplant.

Um den Insektenschutz zu verbessern und die Lichtverschmutzung zu minimieren sind die Optiken der LED-Leuchten auf die jeweilige Straßengeometrie (breitstrahlend oder tiefstrahlend) ausgelegt. Das Licht ist nach unten auf die Straßenoberfläche gerichtet und die Abstrahlung nach hinten und oben in die Umgebung minimiert. Freistrahlende Leuchten werden in Bremen nicht eingesetzt. Sämtliche seit 2017 in Bremen eingesetzten technischen LED-Leuchten senden kein Licht in den oberen Halbraum aus (ULOR=0).
Seit 2020 werden in Bremen ausschließlich LED-Leuchten mit einer Lichtfarbe von maximal 3.000 K eingesetzt.

Zusammengefasst werden folgende Ma0ßnahmen gegen Lichtverschmutzung unternommen:
– Erneuerung alter konventioneller Leuchten gegen LED-Leuchten mit gerichtetem Licht
– Reduzierung der Leistung von LED-Leuchten um 50% in den Nachtstunden
– Einsatz von LED-Leuchten mit einer Lichtfarbe von maximal 3.000 K
– Alle in Bremen eingesetzten technischen Leuchten senden kein Licht in den oberen Halbraum aus (ULOR=0)
– Reduzierung der Lichtpunkthöhen bei Neubau und Erneuerung
– Durchführung von Pilotprojekten der bedarfsgerechten Beleuchtung
– Rückbau von Beleuchtungsanlagen (z.B. Wordwestknoten, A270 etc.)

Das aktuell in Bremen durchgeführte Projekt „LED-Umrüstung“ wird, neben dem vorrangigen Ziel Energiekosten und CO2 einzusparen, die Lichtverschmutzung deutlich reduzieren und gleichzeitig die öffentliche Sicherheit und Ordnung sicherstellen.

Die Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität Stadtentwicklung und Wohnungsbau – Dr. Maike Schaefer, Stellungnahme zur Petition Aktenzeichen: L 20/520

Ein Observatorium zu errichten, kann viele Gründe haben: Wir wollen Entdeckungen machen; Wir suchen Antworten auf Fragen nach dem Sinn der Existenz durch das Anhäufen wissenschaftlicher Erkenntnisse; Wir wollen verstehen, wie die kosmischen Phänomene zusammenhängen; Wir wollen unsere technische Expertise erweitern, um detailgenauere Bilder aufzunehmen oder vielleicht wollen wir auch inspirierende Fotos auf den Sensor bannen, die unsere Freude am Schönen befriedigen.

Die einfachste Erklärung hörte ich in Cochiguaz: ‚Das Universum ist doch schon da. Ich muss nichts weiter machen, als ein Teleskop installieren, lernen, es richtig zu bedienen, das Universum lesen lernen und kann damit für meine Familie den Lebensunterhalt verdienen. Es ist direkt hier über unseren Köpfen, ganz umsonst, wir brauchen es nur zu nutzen.

Werbeplakat – Foto: Lutz Dörpmund

Das Observatorium Cancana befindet sich in Cochiguaz, im Valle del Elquí (in deutschsprachigen Publikationen oft: Elquital), ca 110 km entfernt von La Serena, unweit der Observatorien CTIO (Cerro Tololo Inter-American Observatory), Gemini Sur, SOAR (Southern Astrophysical Research) und bald LSST (The Large Synoptic Survey Telescope), am ‚Camino Único‘, dem ‚einzigen Weg‘.Das Valle del Elquí wird auf chilenischen Touristikseiten als ein ‚Planet für sich‘2 bezeichnet, weil es viele Aspekte vereint. Zum einen gehört das Andenken an die chilenische Nobelpreisträgerin für Literatur Gabriela Mistral3 dazu. Auch ist es durch eine blühende Landwirtschaft, vor allem Obst und Gemüse, aber auch den Weinanbau, und dabei muss natürlich der berühmte Pisco genannt werden, geprägt. Auf nationaler Ebene kennen viele Chilenen das Valle del Elquí als einen Ort, an dem verschiedene alternative Heilverfahren, Yoga und Meditationspraktiken Anwendung finden und selbstverständlich ist diese Region für seinen spektakulären Sternenhimmel, seine vielen wolkenlosen Nächte bekannt, die ideal für die astronomische Observation sind. Nicht ohne Grund befindet sich in dieser Region das Epizentrum der chilenischen Astronomie4 und wird als ‚Ruta de las Estrellas‘, die Sternenroute, bezeichnet. Hier befindet sich auch das erste, im Jahr 2015 ernannte, Gabriela Mistral Dark Sky Sanctuary.5 Nicht nur die o. g. Observatorien befinden sich dort, sondern auch Mamalluca (Gemeinde Vicuña, 1998 eröffnet) und mehrere private Einrichtungen mit Hotelanlagen.

Die Sternenroute – Foto: Lutz Dörpmund

Cancana besticht durch einen ganz besonderen Charme. Das Observatorium gehört zum Refugio El Alma Zen und wird von Marcelo Berenguer und seinem Sohn Diego und Familie geführt.

Marcelo, Pakal, Lutz, Trini, Diego und Claudia – Foto: Karin Dörpmund
El Alma Zen – Foto: Lutz Dörpmund

Die gesamte Anlage bietet eine erstaunliche Kulisse. Das Valle del Elquí und besonders das El Alma Zen haben einen buddhistischen, hinduistischen und andinen Charakter, verbunden mit Ökotourismus. Marcelo verbrachte mehrere Jahre in China und Indien, besonders in Dharamsala. Er kam als dem Tode geweihter Mann nach Cochiguaz, dem die Ärzte nur noch eine Lebenserwartung von drei Monaten verhießen, und er erfuhr hier Heilung. Spiritualität ist in jedem Winkel spürbar. Außerdem besuchte der Dalai Lama Cochiguaz und mit einer Lichtzeremonie segnete er den Río Cochiguaz, der seitdem den Namen El Río Mágico trägt und als der Bruder des Ganges gilt.

Die Antipoden – Foto: Lutz Dörpmund

Das Valle del Elquí und Lhasa in Tibet liegen beide auf dem 30. geographischen Breitengrad, jeweils nördlich bzw südlich, ein Breitengrad auf dem sich oft spirituelle Zentren befinden sollen. Der Himalaya und der Cerro Cancana sind somit geographische Antipoden.

Südlich von Cancana ist seit 2016 ein buddhistisches Zentrum im Entstehen, das Centro de Estudio y Meditación Budista Mahayana Otzer Ling. 6 Die Stupa ist bereits errichtet und kann zur Meditation besucht werden, aber auch zur Astrofotografie ließen uns Andrés und Isaías, zwei buddhistische Mönche, bis tief in die Nacht verweilen, nicht ohne uns und die Displays der Lumix G9 und der Olympus wissbegierig zu beobachten und Fragen nach dem Leben und Sterben der Sterne, der Größe des Universums, der Entfernungen zwischen Planeten, Sonnen u.v.m. zu stellen und nach OVNIs (objeto volante no identificado, also UFOs).

Die Stupa, das Kreuz des Südens und der Carina-Nebel – Foto: Lutz Dörpmund

Um den Berg Cancana ranken sich viele Mythen. Eine der kursierenden Geschichten berichtet von tibetischen buddhistischen Mönchen, die in den Berg Cancana eindrangen und von Außerirdischen entführt wurden. Eine andere besagt, dass Anhänger des Ramakultes auf dem Berg auf die Ankunft der Aliens warteten, die sie allerdings nicht abholten. Der Cerro Cancana lockt aufgrund seiner hohen elektromagnetischen Energie Aliens an, deren Sternenschiffe in unterschiedlichsten Formen gesichtet wurden7, denn er beherbergt ein Portal, dass die Dimensionen verbinden soll. Der Berg enthält Magnetit, Eisen, Gold und erstaunlich viel Quarz, mit dem z. B. Teile des vorhandenen Swimming-pools ausgelegt wurden und große Brocken überall auf dem Gelände als Dekoration dienen.

Foto: Lutz Dörpmund

Aber es gibt noch mehr Erstaunliches: Laut Marcelo haben die Astronauten der NASA auf ihrem Flug zum Mond im Jahr 1969 an diesem Ort eine besonders hohe Konzentration elektromagnetischer Energie/Strahlung gemessen. Vom Mond aus, so berichtete er Lutz und mir, machten sie Fotos mit verschiedenen Filtern und auf mehreren dieser Fotos erschien Cochiguaz als leuchtender Punkt. Es handelt sich um ‚elektromagnetische Energie‘ (megas de unidades electromagnéticas, Originalausdruck: Marcelo), die 1.500 ‚Einheiten‘ betragen soll. Die ägyptischen Pyramiden haben nur 650, die Halbinsel Yucatán hat 700 und das Bermudadreieck 800. Es handelt sich also um die höchste auf der Erde gemessene Konzentration in Cancana. Er sprach in diesem Zusammenhang von β-Strahlung und ɣ-Strahlung. Auch erzählte uns Marcelo, dass die NASA in den 1970er Jahren Astronauten und Ingenieure nach Chile schickte, um Messungen vor Ort vorzunehmen. Auch gab es Anstrengungen seitens der NASA das gesamte Valle del Elquí aufzukaufen. Als Reaktion der einheimischen Bevölkerung wurde die Kooperative Capel gegründet, um den Landkauf zu verhindern.

Werbeplakat in Pisco – der erste Kontakt gehört ins Programm – Foto: Lutz Dörpmund

Wir mögen das Gesagte glauben oder als esoterischen Unsinn abtun, der nach allen wissenschaftlichen Kriterien und Erkenntnissen den aufgeklärten Geist, dessen wir uns rühmen, nicht überzeugt oder nicht verleiten sollte, zu glauben. Doch des nachts mit meiner Olympus auf den Oktans eingesüdet und Langzeitbelichtungen oder mit Live Composite StarTrail-Fotos kreierend, konnte ich nicht den Blick von der Milchstraße wenden, ohne sie nicht auch nach ungewöhnlichen Formen und Farben mit uncharakteristischen Bewegungen zu betrachten. Lokalkolorit, der die Astrofotografie von ihrer rein technischen Dominanz entlastet und ihr eine epische Nuance verleiht. Und wenn dann noch Milliarden von Sternen in einer Neumondnacht funkeln, heißt es: ‚There’s more stars than sky.‘ und wir schauen verträumt auf die Sternenpracht.

Die Stupa mit der Milchstraße und aufkommender Bewölkung – Foto: Karin Dörpmund

2016 war Cancana unsere erste Station auf der Sternenroute, als Ausgangspunkt für unseren Besuch des Cerro Tololo. Hier erlebte ich das erste Mal in meinem Leben das Wunder Milchstraße als glitzerndes Band und eine vorher noch nie gesehene Anzahl an Sternen. Dieser Anblick ergreift wohl jeden Menschen. Lutz und ich fanden in Diego, Claudia, den Kindern Pakal und Trinidad Amanda und Diegos Vater Marcelo derart nette Gastgeber, dass es keine Frage war, sie um ein Interview zu bitten, auch aus dem Interesse heraus, Astronomie von der Seite ausgebildeter Amateurastronomen (guía oder aficionado de astronomía) zu betrachten. Diegos Startours faszinieren nicht nur durch seine Sachkenntnis und sein Talent, den Menschen kosmische Zusammenhänge nachvollziehbar und unterhaltsam zu unterbreiten, sondern auch, dass er als Chilene o. g. Lokalkolorit vermitteln kann, auch mit einem Hauch des ‚real maravilloso‘8 der lateinamerikanischen Literatur.

Das Interview entstand an einem Nachmittag im Restaurant, das im chilenischen Winter fast nie aufgesucht wird, genauso wie die gesamte Anlage einen Dornröschenschlaf zu halten scheint, und somit Treffpunkt und Spielwiese der beiden Kinder, Freunde und Nachbarn ist – und entsprechend laut.

Lutz, Pakal und Diego – Foto: Karin Dörpmund

Hier nun das Interview:

Das Restaurant – Foto: Lutz Dörpmund

Viele Menschen begeistern sich für Science Fiction, wie z. B. Star Trek. Andere lasen die Bücher von Carl Sagan und sahen COSMOS. Sag uns bitte, Diego, warum du Astronomie studiertest?

Diego: Zu allererst, weil wir hier diesen Himmel haben. Ich begann nach oben zu sehen und Fragen zu stellen: Was ist das da? und jenes? Ich sah auch die Dokus und Star Trek und die Serie ‘Cosmos’, die mir wirklich sehr gefällt. Ich habe die komplette Serie. Ja, es ist einfach. Wie kann es sein, hier nicht nach oben zu sehen? Diesen Himmel, diese Sterne, unmöglich, es nicht zu sehen.

Welcher Planet fasziniert dich am meisten? Welche Galaxie favorisierst du?

Diego: Der Saturn wegen seiner Ringe, er ist wunderschön anzusehen; der Herr der Ringe. Er ist der Interessanteste, den man gut sehen kann. Alle Planeten sind faszinierend, aber Jupiter und Saturn können wir gut sehen. Wenn ich den Leuten den Saturn zeige, können sie sich dieses astronomische Phänomen über ihren Köpfen mit seiner charakteristischen Form gut vorstellen. Sie glauben oft nicht, dass er genauso ausieht, wie sie ihn sich vorgestellt haben. Neptun ist nur ein Punkt, nur ein Punkt, auch durch das Teleskop. Blau ist er, weil auf ihm Methan ist. Eine Galaxie? Ich denke, dass ist die Sombrerogalaxie, M 104.

Marcelo: Mir gefällt der Saturn auch am besten, aber wenn ich den Jupiter mit seinen Monden sehe, mit seinen drei, vier Punkten, das ist wunderschön. Diese Balance zwischen dem Planeten und den Monden, und erst recht die Venus, die Leuchtende, die immer in der ersten Reihe ist. Und eine Galaxie? …. Für mich ist es die Milchstraße, was denn sonst? Unser Zuhause.

Wurdest du hier geboren, Diego?

Diego: Nein, in Santiago. Aber je öfter ich hierher kam, desto mehr wurde ich in den Bann gezogen. Zuerst kam mein Vater hierher. Er baute das Observatorium. Das war vor 15 Jahren. Dann kam auch ich, um das Projekt mit ihm zusammen abzuschließen, denn das Observatorium funktionierte nicht sofort. Als ich dann hier lebte, kümmerte ich mich darum, lernte Astronomie. Du musst schließlich den Himmel kennen, wenn du ihn Anderen erklären willst. Es verging noch ein Jahr, bevor wir für das Publikum öffneten. Das war in 2007. Davor arbeitete ich zuerst in Mamalluca, hatte dort eine Anstellung, auch um zu lernen. Außerdem hatte ich ein Stipendium erhalten und belegte einen Kurs in Astronomie an der Universität in La Serena und erwarb ein Diplom.

Dein Interesse an der Astronomie begann also nicht in der Schule, es war kein Schulfach.

Diego: Nein, nein, das Interesse an der Astronomie ist eher ein neues Phänomen. Früher gab es wenig Interesse an der Astronomie in der Bevölkerung. Es waren eher Grundkenntnisse. 

Wie alt warst du, als du zum ersten Mal durch ein Teleskop sahst?

Diego: Oh, da war ich noch sehr klein. – Aber als ich hier in Cochiguaz ankam, sah ich Guías, die hatten noch gar keine astronomische Ausrüstung. Die zeigten den Gästen die Sterne noch mit einer Taschenlampe. An einen Laser heran zu kommen, war unmöglich; viel zu teuer, sehr schwierig. Heute kannst du sie überall kaufen.

In Deutschland ist der Einsatz von Lasern in vielen Bereichen untersagt, um den Flugverkehr nicht zu gefährden. Wie wird das in Chile gehandhabt?

Diego: Ein Verbot gibt es nicht. Es ist ganz schön kompliziert in Deutschland, oder?

Diego, sag uns bitte, wo du Astronomie studiertest. Wie gestaltet sich dieser Ausbildungsgang? Gibt es in Chile eine Art ‘Teleskopführerschein’?

Diego: Ich studierte Astronomie in La Serena, um an einem großen Observatorium zu arbeiten. Es gibt Leute, die sich damit begnügen, ein Teleskop zu bedienen. Dafür brauchst du keinen Führerschein. Du musst nur ein Wissen über den Himmel haben. Das ist es nicht, was sie dir an der Universität vermitteln. Du musst jeden Tag die Konstellationen überwachen, um sie gut zu kennen. Heute gibt es dafür Computer, aber du musst auch wissen, wie du mit einem Rechner für ein Teleskop umgehst. Es gibt Astronomen, die zu uns kommen, um durch unser Teleskop zu sehen. Die Astronomen wissen sehr viel, aber sie können nicht den ganzen Tag den Himmel so beobachten wie wir. Deshalb kommen einige zu uns, und bitten uns, diese oder jene Region beobachten zu dürfen, d. h. Astronomen machen nur Untersuchungen von nur einigen eng begrenzten Gebieten.

Ich bediene hier in unserem Sektor keine Großteleskope, aber ich weiß, dass es dafür Tests gibt. Ich habe ein Diplom in Astronomie von der Universität in La Serena. Dafür studierte 1 ½ Jahre und ich machte Kurse in Astronomie, einen in Mamalluca und auch einen Kurs, der sich Achaya9 nennt. Das ist die ‘Asociación Chilena de Astronomía y Astronáutica’, kurz: ACHAYA. Das ist eine Vereinigung, die in Santiago ihren Hauptsitz hat. Du kannst mich also als einen Astronomiebegeisterten bezeichnen; Ich bin so gesehen kein Astronom. Ich sehe mich selbst als einen Vermittler der Astronomie. Den Menschen, die zu mir ins Observatorium kommen, vermittle ich, was ich über die Astronomie weiß; so, wie z. B. gestern Abend. Sie kommen hierher, weil sie zu den wissenschaftlichen Observatorien nachts keinen Zutritt haben. Dorthin dürfen nur Astronomen, sie erhalten keine Genehmigung. Das ist wie in einem OP. Dort dürfen auch nur Ärzte hinein und einer OP am offenen Herzen beiwohnen. Nachts dürfen dort nur Astronomen arbeiten. Es gibt Besuchszeiten, aber nur am Tag. Dann kann man sich die Installationen ansehen, aber nicht die Teleskope arbeiten sehen. Dann sehen die Menschen natürlich keine Sterne, sondern nur etwas auf den Monitoren. Die Astronomen selbst sehen auch nur das, was auf ihren Monitoren geschieht, aber nicht mehr am Sternenhimmel.

Du sagtest, dass Astronomen hierher kommen, um die Sterne zu sehen?

Diego: Aber Ja, und dann sagen viele: ‘Jetzt erinnere ich mich, was es war, was ich da draußen so sehr mochte.’

Sie analysieren ständig das Licht und arbeiten an Computern, nur an Computern. Sie analysieren Datensätze. Manche kommen hierher und sammeln Daten, um sie dann zum Observatorium mitzunehmen und z. B. nach Deutschland zu übermitteln oder sonst wohin, um die Daten auszuwerten. Manche dort, auch bei euch, haben noch nie die Objekte mit eigenen Augen gesehen.

Kann letztendlich jede/r, der ein Grundstück besitzt auch eine Astrofarm oder ein Observatorium errichten, um damit der Öffentlichkeit das Universum näher zu bringen und schließlich auch Geld zu verdienen?

Diego: Ja. Das kann jeder hier machen. Es gibt keine Auflagen.

Das Observatorium Cancana – Foto: Lutz Dörpmund
Diego in action – Foto: Claudia Berenguer

In welchem Jahr wurde das Observatorium gegründet? Wie ist es aufgebaut?

Diego: Mein Vater begann vor einigen Jahren, aber wir begannen mit den StarTours in 2007. Wir machen das jetzt also seit elf Jahren. Der Bau des Observatoriums dauerte ca fünf Jahre. Dazu gehörte auch, dass wir eine Straße brauchten. Hier war alles steinig. Wir mussten das gesamte Material hierher bringen. Das war alles Handarbeit.

Marcelo: Wir hatten damals so einen ganz kleinen LKW, mit dem wir alles mühsam über diesen steinigen Weg herschleppten. Ich wusste nicht, wie man ein Observatorium baut. Ich musste das alles lernen. Ein Observatorium ist kein sonst übliches Bauwerk. Es hat eine Basis, die nur aus Fels besteht. Der Abhang musste zuerst geebnet werden. Das waren viele Bohrungen, alles ist aus Stein hier, bis wir die Basis fertig gestellt hatten. Da fielen schon einige Tonnen an Felsgestein an. Darauf bauten wir die verbindende Zentralachse, die durch das gesamte Gebäude geht, bis rauf zum Teleskop. Das Gebäude hat zwei Stockwerke, also zwei Bodenplatten, aber die Achse berührt sie nicht, weil sie durch eine Röhre geführt ist, mit einem Abstand von zwei Zentimetern. Im Beton der unteren Bodenplatte wurde unter der Röhre ein Gummi appliziert. Dadurch wird sie erdbebensicher.10 Die Achse führt also durch die Decken der zwei Bodenplatten bis zum Teleskop. Wenn die Röhre bei Erdbewegungen vibrierte, würde das Teleskop sich vielleicht nur um Millimeter bewegen und das Objekt, das gerade im Fokus ist, verlieren. Es handelt sich hier um Lichtjahre, versteht sich. Das mussten wir alles selber herausbekommen. Es gab keine Bauanleitung für ein Observatorium. Hier hatte noch niemand eines gebaut, schon gar nicht ein privates.

Diego: Wir sind ja auch keine Astronomen.

Cerro Tololo – Foto: Karin Dörpmund

Wer hat euch beim Bau unterstützt?

Marcelo: Ich hatte das Glück, hier im Restaurant einen Astronomen vom Tololo kennen zu lernen. Das war ein cleverer Typ. Er kam zweimal pro Jahr hierher, um die Spiegel zu warten, d. h. sie zu reinigen. Eines Tages aß er hier zu Mittag und er trug das Logo vom Tololo auf seinem Hemd. Ich sagte ihm, dass ich hier ein Observatorium baue und ein Teleskop aufstellen will. Ihm gefiel die Idee. Er sprach nur Englisch, aber seine Frau sprach Castellano. Ihn faszinierte die Idee und ich fragte ihn, ob er mir helfen könne, das beste Teleskop, das ich für touristische Zwecke einsetzen kann, zu bekommen. Als er wieder hierher kam, brachte er uns das Teleskop mit, mit Montierung und allem. Er bezahlte es. Astronomen konnten einen Rabatt erhalten und im Rahmen ihrer Tätigkeit auch besser an Gelder herankommen. Gregory Gorman ist sozusagen mein Mäzen. Es war für mich wie ein Lottogewinn. All die Dollars, die hier investiert wurden. Zwischen uns hat sich in all den Jahren eine schöne Freundschaft entwickelt. Eines Tages sagte er, dass er mit vier Kollegen vom Tololo und deren Familienangehörigen kommen würde. Wir hatten hier ein nettes Beisammensein und natürlich wollten sie sehen, wie das Teleskop arbeitet. Sie waren sehr ergriffen von der Schönheit, denn sie hatten noch nie die Sterne so gesehen, die Diamanten am Himmel.

Diego: Am Anfang gab es allerdings auch einige Dramen. Meinen Vater kostete es neun Jahre, um das Patent für das Observatorium zu erhalten. Die Bürgermeisterin in Paihuano wollte verhindern, das wir eines vor jemandem, den sie kannte, errichten. Deshalb bekam er keine Erlaubnis. Das waren Scharmützel und ihre ökonomischen Interessen. Die wollten unbedingt zuerst eines haben. 

Um was für ein Teleskop handelt es sich? Kannst du uns bitte einige technische Daten nennen?

Diego: Es ist ein amerikanisches Telekop. Das Teleskop in der Kuppel ist ein 14″ Meade LX200, es ist GPS-gesteuert. Ein weiteres Teleskop, auch ein Meade, befindet sich unter einem verschiebbaren Dach. Es sind katadioptrische Systeme, d. h. es werden Spiegel als auch Linsen verwendet. Das zweite Teleskop brauchen wir nur in der Hauptsaison, wenn wir hier viele Gäste haben. Also wenn wir z. B. pro Nacht vierzig Gäste haben, dann gehen jeweils zwanzig an ein Teleskop. Dann zeigen wir auf der Terrasse, auf einer Leinwand, kurze Filme zu astronomischen Themen und erklären einfache Zusammenhänge. Wir machen Astronomie für ganz normale Leute. Im Winter haben wir den Multimediaraum. Dann erkläre ich auch den Himmel über Stellarium.

Was erzählst du deinen Gästen auf einer StarTour?

Diego: Also, ich erzähle Dinge wie: das Observatorium heißt Cancana, weil der Berg dort so heißt. Er ist ca 3.300 m hoch. In der Sprache der ersten Bewohner hier, die Diaguitas, hieß er Cancan (die Schreibweise ist ungeklärt: Khankhan ist auch möglich, Anm. d. Verf.), der Altar. Dann sehen wir uns zusammen den Reichtum des Himmels an. Oftmals sehen wir Satelliten oder Flugzeuge und ich erkläre den Unterschied. Sie können dann erst einmal Fragen stellen: Was ist das Dunkle dort? Wie heißt der Stern dort? Ich zeige ihnen einiges mit dem Laser. Ich zeige ihnen, wo das Zentrum der Milchstraße ist, das wir nur einen Arm der Milchstraße sehen. Sie selbst ist eine Scheibe und wir sehen sie nur von der Seite. Und dass es dort ein supermassives schwarzes Loch gibt. Wichtig ist das Kreuz des Südens, damit sie sich am Sternenhimmel orientieren können, denn das ist bei all den Sternen nicht leicht.

Marcelo: Du erzählst ihnen aber auch, wie die indigene Bevölkerung den Sternenhimmel sah.

Indigenes – Foto: Lutz Dörpmund

Diego: Genau, wie die Regionen auf Quechua heißen, denn die Inka bewohnten große Teile von Chile und Peru bis nach Santiago. Sie hatten eine andere Art, den Kosmos zu beschreiben. Vor den Inka lebten hier in diesem Tal bereits die Diaguita, die von den Inka unterworfen wurden. Wir sehen hier am Himmel Dunkelwolken, z. B. im Arm des Orion, oder im Scutum-Centaurus zeige ich den Gästen La Yakana, das schwarze Llama, auch Guanako oder Alpaca. Alpha Centauri und auch Beta Centauri sind die Sterne im Kopf des Tieres. Es hat einen langen Hals, du siehst die Beine und den Bauch. Eine andere Form in der Dunkelwolke ist Machawei, die Schlange. Ihr Kopf ist rechts neben dem Kreuz des Südens und im dunklen Zentrum des Kreuz des Südens lebte ihr Gott Viracocha. In ihrer Vorstellung lebte er zwischen den vier Sternen.

Marcelo: Sie sahen auch eine kleine Herde von Llamas und einen Kohlensack. Sie orientierten sich an den Dunkelwolken, nicht an dem Licht der Sterne, sondern an den dunklen Figuren des Himmels.

Diego: Jedes Volk hat seine eigene Vision des Kosmos. Die Mapuche, weiter im Süden, sehen andere Sachen. Da, wo z. B. der Kohlensack ist und das Kreuz des Südens sehen sie das Nest eines Suri. Er sieht aus wie ein Strauß. Sie dachten, dass das Licht der Milchstraße ein Fluß sei, auf Quechua heißt er auch Mayú, und der Strauß rannte und sprang über den Fluß und das Kreuz des Südens stellt den Fußabdruck des Straußes dar. Natürlich erkläre ich ihnen die Konstellationen als eine Zeichnung, die sich jemand ausdachte, indem er Sterne mit einer Linie verband. Das leichteste, das wir erkennen, ist das Kreuz des Südens. Die Sterne werden nach ihrer Leuchtkraft klassifiziert und sie werden mit griechischen Buchstaben bezeichnet: also Alfa, Beta und Gamma Crucis sind leicht beobachtbare Doppelsterne, dann sind dort Delta und Epsilon. Es gibt 88 solcher Zeichnungen und der gesamte Himmel ist in Konstellationen unterteilt. Den südlichen Himmelspol zeige ich ihnen und wie man ihn vom Kreuz des Südens aus finden kann. Ich sehe oft erstaunte Gesichter, wenn ich den Menschen erkläre, dass sich nicht der Himmel dreht, sondern die Erde um die eigene Achse. Nun? Was erzähle ich ihnen noch? Die Grundlagen, wie: die Ekliptik, unsere Planeten im Sonnensystem, die chemischen Grundbausteine, welche Rolle die Supernovae spielen, du weißt schon, Fusionsprozesse bis zur Bildung von Eisen, die dann zur Sternenexplosion führen, zur Supernova und dass …

… dass wir Sternenstaub sind?

Diego: (schallendes Lachen) Ja, … dass wir Sternenstaub sind. Alle Elemente kommen aus den Supernovae, unseren wichtigsten Vorfahren, sozusagen unsere wahren Mütter. Mir fiel auf meinen Sternentouren auf, dass immer wieder die Angst vor den Auswirkungen einer Supernova aufkommt. Ich verweise immer auf die Entfernungen. Zwar wird von Antares und Arcturus angenommen, dass sie zur Supernova zu werden, aber sie sind einfach sehr weit weg. Auch der Tod unserer eigenen Sonne erkläre ich, dass sie ein funkelnder Diamant sein wird. Das erstaunt. Es ist schon faszinierend. Aber es werden auch irdische Fragen gestellt, z. B. nach der ESO in Chile. Wie viele chilenische Astronomen bei der ESO arbeiten, also wie die ESO Chilenen einbindet, weil es ja unser Land ist. So etwas wollen sie auch wissen.

Und dann? Wie geht die StarTour weiter?

Diego: Wir bleiben also ca. eine halbe Stunde draußen. Anschließend gehen wir in den Multimediaraum unterhalb der Teleskop-Plattform und ich zeige ihnen kurze Filme und den aktuellen Himmel auf Stellarium, also, das, was wir draußen sahen. Die meisten sind von den Größenunterschieden der Sonnen total begeistert. Ich schaue, was sie interessiert, und zeige aus meinem Repertoire Entsprechendes. Im Sommer bleiben wir auf der Terrasse. Ich habe eine Leinwand installiert, auf der ich dann die Filme projiziere. Danach gehen wir hinauf zum Teleskop. Ich zeige den Gästen Planeten, sehr gern den Saturn, weil die Menschen ihn kennen, aber auch den Carina-Nebel und Herschels Schmuckkästchen (auf Spanisch: el joyero – ein Zungenbrecher für den deutschsprachigen Gaumen und Zunge; Herschels Schmuckkästchen ist dagegen ein Zungenbrecher für die chilenische Zunge, Anm. d. Verf.) oder Omega Centauri, je nach Jahreszeit. Wenn ich zu Alpha Centauri komme, unserer Sonne mit nur 4,3 Lichtjahren am nächsten, und erkläre, dass dort ein erdähnlicher Planet gefunden wurde, kommen natürlich sofort Fragen nach außerirdischem Leben und ob wir dort hinreisen können. Und auch Zeit ist für viele ein Phänomen, immer der Blick in die Vergangenheit und wie unendlich weit entfernt die Sterne sind, also allein über 40 Billionen Kilometer bis Alpha Centauri, und mindestens wohl 40.000 Jahre Flugzeit.

Gibt es im Valle del Elquí Programme für den Astrotourismus?

Diego: Bei uns gibt es keine Programme. Wir machen hauptsächlich die AstroTouren. Wir haben hier die Cabañas und ein Angebot an alternativen Heilverfahren. Unsere Gäste können sich ihr Programm selbst zusammenstellen, d. h. die Länge des Aufenthalts, die Art der Anwendungen, also Massagen, Reiki, Akupunktur oder Energierituale, und natürlich die Sternenbeobachtung. Wir bieten auch unseren Ökopark an, in dem Kinder Pflanzen und ihre charakteristischen Eigenschaften kennen lernen können. Seit 2015 gibt es in unserer Region außerdem das Gabriela Mistral Dark Sky Sanctuary und es wurde die Sternenroute ins Leben gerufen, um diesen touristischen Sektor zu stärken, und um mit der Region Antofagasta mithalten zu können, denn dort stehen die Großteleskope (der ESO, Anm. d. Verf.). 

Marcelo: Es ist folgendermaßen: Coquimbo und La Serena warben bis dahin eigentlich nur mit ihren Stränden und dem Meer. Dann wurde man sich des Astrotourismus bewusst und der Bürgermeister entwickelte den Plan, diesen Tourismuszweig hinzu zu nehmen. Warum nur den Strand und das Meer anpreisen? Nehmen wir doch die Sterne dazu.

Die Astronomie ist aber nur ein Pfeiler in der chilenischen Wirtschaft, also hier im Raum Coquimbo … .

Diego: Aber … er wird immer stärker.

Das ist aber nur möglich, solange es einen sternenklaren, dunklen  Himmel gibt. Nach der Light Pollution Map scheint es hier ein Ort zu sein, der nur wenig Lichtverschmutzung erfährt, obwohl sie auch hier zunimmt, denn es kommen immer mehr Menschen hierher, um hier zu leben.

Marcelo:  Ja, das stimmt, aber es hängt auch davon ab, wann der Grad der Dunkelheit gemessen wird. Es wurden aber auch Schritte unternommen, Entscheidungen getroffen. Mit der Nutzung der Elektrizität hat es zugenommen, aber es gibt bei uns einen Leitfaden, von dem ich denke, dass er der einzige in Chile ist, also Verbote. Du darfst z. B. keine beleuchteten Schilder für die Werbung installieren, sollst keine öffentlichen Plätze beleuchten, dein Vorgarten darf nicht beleuchtet sein, usw.

Zeitungsartikel – Foto: Lutz Dörpmund

Die OPCC [Oficina de Protección de Calidad de los Cielos – Büro zum Schutz der Himmelsqualität, Anm. d. Verf.], verkündet, dass die Gemeinden ihre Lichtnutzung reduzieren sollen, aber jedes Jahr leben hier mehr Menschen, die nicht auf ein Leben, wie sie es aus den Städten kennen, verzichten wollen. Wie kann man die Qualität des noch wenig lichtverschmutzten Himmels schützen und gleichzeitig die Ansprüche der Gäste ggf. sogar senken? Ist dann das Gabriela Mistral Dark Sky Sanctuary eine praktikable Idee?

Diego: Das ist eine sehr schwierig zu beantwortende Frage. – Es gibt nicht mehr viele Orte, die keine Lichtverschmutzung aufweisen. Die Menschen, die Astrofotografie oder Astronomie machen, müssen aus den Ortschaften rausgehen, um wirklich dunkle Orte zu finden. Cochiguaz ist der einzige Ort, in dem wir, die Bewohner, die hier leben, im Gemeinderat den Beschluss gefasst haben, dass wir keine öffentliche, nächtliche Beleuchtung haben wollen. Deswegen haben wir noch einen dunklen Sternenhimmel. Aber es gibt natürlich viele, die sich nicht darum kümmern und denen es egal ist, ob sie Areale mit Licht verschmutzen.

Wir sprachen mit Dr. Malcolm Smith, der das Gabriela Mistral Dark Sky Sanctuary mit ins Leben rief.

Diego: Ja, Tololo wurde in den 60ern errichtet und auf dem Cerro Tololo war es früher sehr dunkel. Natürlich hat Tololo jetzt dieselben Probleme, denn La Serena wächst und nutzt mehr Licht und sie verschmutzen den Himmel, und auch Vicuña verschmutzt den Himmel.

Auf der Website des CTIO wird der dunkle Nachthimmel als eine natürliche Resource für den Ökotourismus und die professionellen Observatorien beschrieben. Gleichzeitig ist der Bergbau ein extrem wichtiger Pfeiler der chilenischen Wirtschaft. Die kanadische Firma Teck z. B. betreibt eine Mine nahe des Observatoriums Collowara und …..

Diego: Ja, sie zerstören so viel.

… und die Auswirkungen sind deutlich zu sehen. Wie könnte der Zerstörung Einhalt geboten werden?

Die Kupfermine der kanadischen Firma Teck – Foto: Lutz Dörpmund

Diego [Es fiel ihm sichtlich schwer, die richtigen Worte zu finden.]:

Alles dreht sich in Richtung der wirtschaftlichen Interessen. Unglücklicherweise gibt es in unserem Land keine effizienten Politiker. Sie vertreten die Interessen der Kanadier. Sie selbst verfügten eigene Vorschriften gegen den Bergbau, als sie Probleme mit der Umweltverschmutzung hatten, denn durch den Bergbau schmelzen die Gletscher ab und sie kümmern sich nicht um den Himmel als Weltkulturerbe. In ihrem Land sagen sie sicherlich, dass sie es tun, aber was los ist: sie kommen hier her, die großen Bergbaufirmen. Es sind ausländische Firmen, z. B. aus den USA, Kanada und auch aus Europa. Die Gesetzgebung hier ist fehlgeschlagen, denn es gibt natürlich Politiker, die davon profitieren und sich bereichern. In diese Richtung läuft es. So sieht das leider aus.

In dem Online-Magazin ‘elobservatodo’11 fand ich einen Artikel, dessen Titel ‚Inquietud en el Valle de Elqui por proyectos mineros que dañarían la actividad turística y de los observatorios’12 Schlimmes für das Valle del Elquí prognostiziert, denn hier wird schon fast eine Kriegsrhetorik mit Worten wie ‚en pie de guerra‘ (auf Kriegsfuß, Anm. d. Verf.) bedient. Nun hat die australische Firma Hampton Mining vor, 12.000 Hektar nahe Vicuña zu erschließen und auszubeuten. Wie sehr betrifft es die Astronomie hier vor Ort, z. B. auch Mamalluca?

Diego: Ja, Mamalluca hat schon ein großes Problem, weil es nah an Vicuña ist. Ich arbeitete dort und der Himmel ist ziemlich lichtverschmutzt. Aber es bedient immer noch 80% des astronomischen Tourismus. Natürlich kann man noch etwas sehen, aber es wird immer schwieriger.

Wie ist die Haltung der Menschen hier? Bitte erkläre es unseren Lesern, damit wir deine Sichtweise verstehen lernen.

Marcelo: Natürlich will das keiner so.

Diego: Wir müssen sehr viel mehr Bewusstsein entwickeln. Die Gemeinden beginnen zwar, andere Lichtquellen zu nutzen, aber es fehlen oft die Kenntnisse. Ich war z. B. auf dem Hauptplatz in Paihuano, wo bessere Beleuchtungskörper eingeführt wurden, also z. B. nach unten gerichtete. Aber anstatt der fünf Beleuchtungskörper installierten sie dreißig. Letztendlich hatten sie wieder die Lichtverschmutzung wie vorher. Es fehlt einfach das Wissen.

Marcelo: Ich denke, dass viele Menschen hier das nicht verstehen oder sich nicht für den Reichtum, den sie durch den Himmel haben, interessieren. Sie wollen ihren Profit. Wenn du jemandem in Paihuano sagst, dass fünf Leuchten für den Platz ausreichend sind, anstatt dreißig, dann sagt er dir, dass es ihm scheißegal ist: Gleichgültigkeit. Der Bergbau und die chilenische Gesetzgebung sagen, dass keiner deine unternehmerischen Aktivitäten unterbinden kann. So sieht das aus.

Wie siehst du die Zukunft für den Astrotourismus und die Astronomie hier?

Marcelo: Irgendwie gibt es immer eine Zukunft.

Diego: Es gibt immer mehr Bewusstsein und mehr Körperschaften in Chile, die verstehen, dass der Himmel unser Erbe ist, unser Vermögen darstellt, ein Kulturerbe ist, wie z. B. der chilenische Pisco oder die Literaturnobelpreisträgerin Gabriela Mistral. Und jetzt fügen wir eben noch den Himmel hinzu. Auch aufgrund der Tatsache, dass Großteleskopanlagen installiert werden. Die Menschen begreifen, dass es wenige Orte mit dieser Himmelsqualität gibt und wir werden uns in unserer Gemeinde darum kümmern und ihn beschützen. Schritt für Schritt werden wir daran arbeiten, dass sie nicht diese überflüssige Beleuchtung einsetzen. Hier in Cochiguaz haben wir kaum eine Außenbeleuchtung am Haus, nur eine kleine Leuchte, sehr, sehr wenig Licht.

Hier in Cochiguaz bin ich ein astronomischer Pionier und ich werde es weiterführen. Für mich ist es ein Auftrag, den ich habe, dass die Menschen lernen. Wenn sie z. B. zum Reiten herkommen oder zur Meditation, zeige ich ihnen auch den Himmel mit einem Laser. Kinder aus unserer Umgebung, die hierher kommen, dürfen das Observatorium kostenfrei besuchen. Sie lernen es kennen und das Interesse wird geschürt. Sie wissen von klein auf, was die Astronomie ist. Sie wachsen dort hinein. Für Kinder, die in Santiago aufwachsen, ist das natürlich nicht so leicht. 

Diego mit einer Schülergruppe der Escuela María Isabel Peralta aus Cochiguaz – Foto: Claudia Berenguer

Marcelo: Dadurch, denke ich, wird Chile für den Astrotourismus und für die Astronomie ganz allgemein immer wichtig sein. Natürlich auch dadurch, dass wir die großen europäischen Observatorien haben, auch global gesehen, haben die chilenischen Astronomen eine gute Gelegenheit zur Observation und können große Erfolge erzielen. Wir müssen erkennen, dass es hier einen wissenschaftlichen Zweig gibt, in den es sich zu investieren lohnt, der ertragreich ist.

Diego: Und mit jedem Jahr wächst es. Auch das Bewusstsein. Die sozialen Medien sind dabei sehr wichtig. Die Anzahl der Seiten, die sich der Astronomie widmen, steigt. Immer mehr Gruppen im sozialen Netzwerk, verbreiten die Botschaft, in denen es nicht nur mehr um irgendwelche Events geht, sondern, was im Universum entdeckt wurde, oder wann eine Sonnenfinsternis stattfindet usw. Nächstes Jahr zur Sonnenfinsternis z. B. hat sich bereits bei uns eine hundertköpfige Gruppe aus Japan angemeldet. Jetzt müssen wir wohl noch Japanisch lernen. Nein, was ich meine ist, als der Komet Halley 1986 sichtbar war, kannte ihn kaum jemand, alle kümmerten sich nur um ihre Alltagsprobleme. Heute sind diese Dinge im Bewusstsein. Projekte, wie die geplanten Flüge zum Mars sind im Bewusstsein. Der Blickwinkel hat sich geändert.

Marcelo: Wenn es sich im kollektiven Bewusstsein verankert, dann hat es sicherlich eine Zukunft. Wir werden es herausfinden.

Und ihr habt hier einen direkten Draht zum Himmel … . 

Diego: Alle, die hierher kommen, haben ihn, alle. In Deutschland haben sie ihn wohl seltener. Es ist das, worauf wir stolz sind, der Himmel und unser Observatorium.

Die Milchstraße – Foto: Karin Dörpmund

Lieber Marcelo, lieber Diego, vielen lieben Dank für dieses ausführliche Interview, das unserem chilenisches Sternentagebuch diese hochinteressante Nuance schenkt.

Fotos, fachwissenschaftliche Beratung und Redaktion: Lutz J. Dörpmund – Konzeption, Durchführung und Auswertung des Interviews, Übersetzungen aus dem Spanischen und Englischen, Fotos: Karin Cornelia Dörpmund

Quellennachweis:

  1. Karte: http://www.viviendochile.cl/
  2. https://www.thisischile.cl/valle-del-elqui/  (abgerufen: 20190126, um 15:26h)
  3. https://de.wikipedia.org/wiki/Gabriela_Mistral (abgerufen: 20180913, um 16:18h)
  4. Siehe: das chilenische Sternentagebuch, Teil 1, Ausgabe: Januar 2019, Olbers-Magazin
  5. https://www.darksky.org/our-work/conservation/idsp/sanctuaries/aura/ (abgerufen: 20170508, um 19:34h)
  6. https://www.otzerling.com/ (abgerufen: 20181026, um 17:29h)
  7. http://www.elobservatodo.cl/noticia/sociedad/fotos-captan-nuevo-ovni-en-el-valle-de-elqui (abgerufen: 20190426, um 18:18h)
  8. https://es.wikipedia.org/wiki/Realismo_m%C3%A1gico (abgerufen: 20190526, um 15:12h)
  9. http://achaya.cl/
  10. Marcelo bezieht sich vermutlich auf den Einsatz von Elastomeren. Man kann die Bereiche, in denen sie appliziert werden, als Knautschzonen bezeichnen. Nur bestimmte Areale eines Gebäudes werden dann auf diese Art und Weise bei Erdbeben beschädigt, weil die ‚Knautschzone‘ sich plastisch verformen kann.
  11. http://valledeelqui.cl/cronicas2.html   (abgerufen: 20180526, um 22:23h)
  12. Unruhe im Elquital aufgrund der Bergbauprojekte, die die touristischen Aktivitäten und die der Observatorien schädigen.

Ein Kommentar zum Plusminus Beitrag vom 10.08.2022 • Das Erste

“Große und helle Werbung gehört zum Stadtbild einer jeden modernen Metropole dazu. Doch gerade nachts erreicht sie nur sehr wenig Menschen und Schaufenster und Reklametafeln sorgen nur noch für Lichtverschmutzung und Energieverschwendung. Sollte man daher nicht auf solche verzichten?”

Plusminus Beitrag vom 10.08.2022 • Das Erste

Das ist eine berechtigte Frage – und eine notwendige, die mit einem klaren „Ja!“ beantwortet werden sollte.

In diesem Jahr der ‘Energiekrise’ wird das Verzichts- und Sparnarrativ bedient. Wir müssen Energie sparen, unseren Konsum drosseln und effizienter und weniger verschwenderisch mit dem Gas- und Stromverbrauch umgehen. Denn: die Zeiten haben sich drastisch geändert und es ‘fließt’ nicht mehr so, wie gewohnt.

Plötzlich entdecken viele Politiker und Energieversorger ein Potenzial, dem bislang wenig Beachtung geschenkt wurde: die Einsparung des Stromverbrauchs durch das Abschalten und/oder Reduzierung der Beleuchtung. Berlin macht es und andere Städte folgen. Es geht also. Und es werden Zahlen genannt, die uns beeindrucken. Und aus dem ‘Verzicht’ wird ansatzweise eine Tugend erschaffen. Aber es ist eine ‘Tugend’ der Energieeffizienz, nicht einer Umwelteffizienz.

All diese Aspekte, die uns helfen sollen, durch die Krise zu kommen, sind jedoch nicht neu. Klimaaktivisten, die zum Thema Lichtverschmutzung arbeiten, predigen dies seit Jahren, ohne – oder zumindest wenig – Gehör zu erlangen. Die Lichtverschmutzung zu reduzieren – und zwar drastisch – steht auch seit Jahren auf der Agenda.

Die Wachstumsraten an Lichtverschmutzung, die je nach Regionen auch schon mal mehr als 10% pro Jahr erreichen können, sind keine Seltenheit. Die durchschnittliche Zuwachsrate beläuft sich ca. 6% global (s. Artificial Light at Night: State of the Science 2022 – International Dark-Sky Association).

Handreichungen, Leitlinien werden entwickelt und veröffentlicht. Ebenso die vielen Aufklärungskampagnen, die das Querschnittsthema ‘Lichtverschmutzung’ oder ALAN (artificial light at night) der breiten Bevölkerung vermitteln sollen, beschreiben die Auswirkungen auf die Gesundheit, die massive Einwirkung auf die Biodiversität (z. B. Insektensterben), die Zerstörung unseres Weltkulturerbes ‘dunkler Nachthimmel’, etc.

Zögerlich werden Gesetze formuliert (z. B. 24. Juni 2021 – Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes: § 41a – Schutz von Tieren und Pflanzen vor nachteiligen Auswirkungen von Beleuchtungen), EU-Richtlinien erlassen, aber vieles verhallt ungehört. Die Aufrüstung mit künstlichem Licht in der Nacht per LED mit meistens viel zu hohen Lichtintensitäten und zu hoher Farbtemperatur u. a. steigt stetig an.

Und jetzt plötzlich: die Klimakrise! Die Energiekrise!

Auch wenn der ökologische und der Gesundheitsaspekt nur kurz, aber immerhin, in diesem Beitrag erwähnt wird, ist eines deutlich: dieser Stadtrat hat Recht! Ohne gesetzliche Regulierung ‚gewinnt‘ immer der Kommerz! (Statt dass der Mensch mal wirklich ’sapiens‘ ist!)

Dr. Malcolm Smith zu beschreiben ist einfach: höflich, sehr zuvorkommend, ein Visionär, ein Astronom aus Fleisch und Blut, ein optimistischer Realist, ein ambitionierter Verfechter des bewussten Einsatzes von künstlichem Licht.

Dr Malcolm Smith – Juli 2018 – Lutz Dörpmund

Seine Vita ist beeindruckend.1 Geboren wurde er in Tavistock, England, im Jahr 1942, im Geburtsort von Sir Francis Drake. Dr. Malcolm Smith ist zur Zeit als Astronom Emeritus am CTIO (Cerro Tololo Inter-American Observatory) tätig. Von 1993 bis November 2003 war er Direktor am CTIO und war verantwortlich für die Aktivitäten von NOAO-Süd (US National Optical Astronomy Observatory). Er war in seiner Schlüsselstellung als Direktor und Repräsentant der AURA2 (Associated Universities for Research in Astronomy) maßgeblich federführend bei der Verabschiedung des Astronomy Law durch den chilenischen Kongress. Der Kontrolle und Eindämmung der Lichtverschmutzung, auf lokaler und internationaler Ebene, widmet er sein spezielles Engagement. Das chilenische Lichtverschmutzungsgesetz, an dessen Formulierung er maßgeblich beteiligt war, dient dem Zweck, Regulierungen mit lokalen Behörden in Kraft zu setzen, um eine weitere Verschmutzung der Region IV (Región de Coquimbo mit der Hauptstadt La Serena) einzudämmen. Seine Führungsposition im Kampf gegen Lichtverschmutzung ist weltweit anerkannt. Am 29. August 2012 erhielt er z. B. den IDA3 David Crawford Lifetime Achievement Award in Beijing4 in Anerkennung seiner intensiven Arbeit zur Verringerung der Lichtverschmutzung. Im August 2016 wurde er zum Founding Lifetime Member of the International Dark Sky Association ernannt.

Karte:     http://www.viviendochile.cl/
La Serena/Coquimbo – Chile

Im Jahr 2016 fuhren Lutz und ich nach Chile, um den prächtigen südlichen Sternenhimmel zu bewundern und einmal im Leben die Milchstraße in ihrer ganzen Schönheit zu erleben, unsere Sternenstadt, unser wirkliches Zuhause. Wir hatten in Vorbereitung auf die Reise Touristentickets für A.L.M.A, das VLT und Cerro Tololo online bestellt. Aus Tololo kam die erste Zusage. Die Tickets muss der Astrotourist in La Serena auf dem ‚Berg der Astronomen‘ (wie ich es nenne) abholen. Als Benutzerin eines Rollators nahm ich den Hintereingang (da ist  eine Rampe) und kam somit an Dr. Malcolm Smiths Büro vorbei. Interessiert lasen wir die vielen Zeitungsausschnitte, die den Außenbereich seines Büros zierten. Ein freundlicher, älterer Herr öffnete die halb offen stehende Tür und bat uns herein. Es folgte ein zweistündiger Plausch über Astronomie, die Welt und Light Pollution.

Zeitungsausschnitte – Lutz Dörpmund

Zuhause angekommen bereiteten wir unseren Planetariumsvortrag 2017 für die Olbers-Gesellschaft vor und bei der Recherche erfuhr ich, wer er ist. Für unsere Sternentour 2018 in Chile fragte ich um einen Interviewtermin an, wohlwissend, wie beschäftigt er ist. Die Überraschung kam: seine Zusage. Das folgende Interview führten wir am 7. Juli 2018 im Headquarter des CTIO in La Serena in Dr. Smiths brandneuem Büro, denn für das LSST wurde auch auf der Verwaltungsebene umgebaut.

Hier nun das Interview:

Wann entschieden Sie sich, Wissenschaftler und besonders Astronom zu werden?

Im Alter von vielleicht sieben Jahren las ich den Comic Dan Dare – Pilot of the Future. Und dieser Dan besuchte alle möglichen Orte. Ein Ort namens Venus kam darin vor, aber ich konnte ihn nicht auf einer Karte Englands finden. Er musste also woanders sein. Wir hatten glücklicherweise eine Enzyklopädie zuhause und irgendwie auf diese Art und Weise begann es. Ich war neugierig geworden. Als ich ca 14/15 war, wurde ich gefragt, wie ich bloß meinen Lebensunterhalt verdienen wolle, doch wohl nicht als Astronom. Niemand bezahlt dich, damit du in den Himmel starren kannst, war das Argument. Die einzigen Menschen, die mich unterstützten, waren meine Mutter, mittlerweile verwitwet, und mein Physiklehrer, der mir am Wochenende zwei Stunden Extraunterricht gab. Und das half mir, zur Universität zu gehen. Als ich im zweiten Jahr an der Universität war, wurde mein Plan, Astronomie zu studieren, als unrealistisch infrage gestellt. Ich sollte langsam ernsthaft an meine Zukunft denken.

Dan Dare

In dem Jahr gab es ein Stipendium, um in den USA zu studieren. Eines Tages würde ich vielleicht nach Frankreich gehen, dachte ich damals, aber selbst Frankreich war damals schon für mich weit weg, aber die USA? … In dem Jahr, inspiriert von einem meiner Professoren an der Universität [University of London, Kings College, Anm. d. Verf.], Maurice Wilkins – einer von dreien, die den Nobelpreis erhielten [1962 zusammen mit Watson und Crick, Anm. d. Verf.] entschied ich mich zunächst für die Krebsforschung und ging zum Roswell Park Memorial Institute for Cancer Research für den Sommer.

Ich kenne Menschen, die von Carl Sagans Talent, uns Geschichten über das Universum zu erzählen, tief beeindruckt sind. Er nahm uns mit auf eine epische Reise und verführte uns, seine Bücher zu lesen und seine Serie COSMOS anzusehen. Einige begannen, Astronomie zu studieren. Bitte beschreiben Sie Ihre Motivation. Was beflügelte Sie, neben der Unterstützung durch Ihre Mutter und Ihren Physiklehrer?

Das war in Chicago. Im dritten Monat in Buffalo wurde mir gesagt, dass wir ein 99-Tage-Ticket für 99 US$ kaufen konnten, um mit den Greyhounds durch die gesamte USA zu reisen. Ein Freund fragte mich, ob ich zu ihm nach Chicago übers Wochenende kommen wolle und ob ich schon einmal in einem Planetarium gewesen sei. In Chicago gäbe es ein sehr bekanntes Planetarium [Adler Planetarium, Anm. d. Verf.]. Ich hatte noch nie davon gehört. Wissen Sie, dieses PLanetarium veränderte schon mein Leben. Auch von anderen Menschen, ohne dass sie es zu dem Zeitpunkt realisieren. Es interessierte mich und ich wollte damit weitermachen. Ich fuhr mit dem Bus nach Kalifornien auf der Route 66. Da sollte es berühmte Observatorien geben. Ich wollte unbedingt eines von denen besuchen. Ich ging zum Büro, so wie hier, des größten Teleskops der Welt, das 200 inch (5,1m, Anm. d. Verf.) Palomar Teleskop, und da ich offensichtlich ein Tourist war, sollte ich mich in einen Raum setzen und ein älterer, grauhaariger Herr unterhielt sich mit mir dort 1½ Stunden lang. Nachdem er gegangen war, sagte ich zu der Frau an der Rezeption: ‚Wow, der Touristguide weiß so viel. Das war richtig faszinierend.‘ Sie sagte: ‚Das war kein Touristguide. Das war der Direktor von Mount Palomar.‘ Hätte ich das gewusst, ich wäre in Panik geraten. Somit war ich vollkommen entspannt. Und so begann alles.

Wann hatten Sie das erste Mal die Möglichkeit, ein Teleskop zu benutzen?

Meine erste professionelle Observatoriumsarbeit, d. h. in der Nacht war auf dem Pic Du Midi. Das ist an der Grenze zwischen Frankreich und Spanien. Ich hatte in Manchester am Fabry-Pérot-Interferometer5 gearbeitet. Das ist ein Instrument, das einen großen Teil des Himmels abbilden kann und sehr lichtempfindlich ist. Es hat eine hohe Auflösung. Damals wurde es noch nicht viel  benutzt und niemand arbeitete damals in zwei Dimensionen.6 Aber ich baute dieses druckabgestimmte Fabry-Pérot-Interferometer und bekam die Möglichkeit, es auszuprobieren. Ich bewarb mich dann mit dem fertiggestellten Interferometer für Observationszeit an einem Observatorium in Ägypten. Für einen Anfänger war das eine gute Gelegenheit und ich nutzte jede Chance. Aber Israel entschied, dass das nicht der Ort für meine Dissertation sei. Der israelische Angriff auf Ägypten begann zwei Wochen, bevor ich abflog. Ich war in meinem Abschlussjahr und brauchte für meinen PhD Forschungsdaten für die Dissertation. Verzweifelt suchte ich nach einer anderen Möglichkeit und bekam sie in Norditalien. Ich war erleichtert, als nach dem Auspacken noch alles funktionierte. Meine Beobachtungszeit von drei Tagen wurde durch starke Bewölkung torpediert. Ich war der Verzweiflung nah. Ein dort tätiger Astronom machte mir das Angebot, mein Equipment auf den Primärspiegel des Teleskops zu setzen und dann könnte ich immer die zweite Hälfte seiner Nächte haben. Der Mond störe ihn und das könne er nicht brauchen. Und so bekam ich die Observationsdaten für meine Dissertation. Ich war so dankbar.

Was in unserem Sonnensystem versetzt Sie in Ehrfurcht?

Dazu muss ich ein wenig ausholen. Das war, nachdem ich mein PhD hatte und England verließ. Damals war es ziemlich einfach, einen guten Job an einem der größeren Observatorien zu bekommen. Ich ging in die USA zum Kitt Peak National Observatory, in der Sonora-Wüste, südwestlich von Tucson, Arizona.

Zusammen mit einem Kollegen, einem Australier, John Graham, bekam ich die Gelegenheit nach Chile zu gehen. Ich wusste damals nicht genau, wo das war. John ging zuerst nach Chile und ein Jahr später fuhr ich dorthin. John nahm mich mit zum Cerro Tololo, auf den Gipfel. Ich hatte mich mit John bereits über Lichtverschmutzung unterhalten und fragte ihn danach. Damals konnten wir die Milchstraße sogar in La Serena sehen. So hatte ich sie noch nie gesehen, schon gar nicht in England oder Chicago. Bevor wir also an der letzten Kurve vor dem Gipfel ankamen, sah ich ein Licht. Ich war wirklich tief beeindruckt. Ich sah, wie dieses Sternenlicht vom Boden aufstieg. Ich wusste jetzt ja, wie die Milchstraße aussah, aber John hatte doch gesagt, es gäbe dort keine Lichtverschmutzung und ich fand das nicht besonders amüsant. John begann zu lächeln. Als wir auf dem Gipfel ankamen, verstand ich es: wir sahen das Zodiakallicht. Obwohl ich bereits seit zwei Jahren auf professionellen Observatorien arbeitete, hatte ich so etwas noch nie gesehen. Für die Arbeit mit dem Fabry-Pérot brauchte ich nicht die dunkelsten Nächte, ich konnte auch mit Mondlicht arbeiten. Jetzt können Sie sich vorstellen, was das für ein Himmel war. Das war wirklich aufregend.

Ein Meilenstein in meiner Karriere war mein Studium der Beobachtungsergebnisse des russischen Astronomen Benjamin Markajan7, besonders seine Abhandlungen zu Quasaren. Ich begann damals, mich intensiv mit Rotverschiebungen zu beschäftigen und fragte mich, ob ich nicht auch so etwas wie Markajan machen könne. Wissen Sie, ich hatte die US-Technologie, also einen gewissen technologischen Vorteil, und dachte mir, dass es einen Versuch wert sei. Mir stand das Curtis-Schmidt Teleskop, 24 inch (0,61m, Anm. d. Verf.) hier auf Tololo zur Verfügung. Ich stellte eine Observationsanfrage und wollte eines der schmalsten Prismen8 benutzen, um zu sehen, ob ich damit überhaupt etwas erreichen konnte, denn das war das, was Markajan tat. Meine Anfrage wurde mit dem Argument abgelehnt, dass Prismen, wie ich es einsetzen wollte, bereits angewendet worden waren. Um Quasare zu erforschen, bräuchte ich große Teleskope, z. B. das 4m-Teleskop [Dr. Smith bezog sich vermutlich auf das 4.0 m (158 in) Victor M. Blanco Telescope, Anm. d. Verf.], das hier gebaut werden sollte, mit einem Spektrometer und einer hohen Auflösung. 100 inch und größer sind notwendig. Quasare seien einfach zu lichtschwach, sie seien zu weit entfernt. Dr. Victor Blanco9 war damals hier Direktor [1967 – 1981, Anm. d. Verf.]. Er war ein Amerikaner: Nord, Mittel und Südamerika. Ich bin nie jemandem davor oder danach begegnet, der es verstand, in diesem Beruf in Ländern, wie diesen, gut zu leben, ganz besonders in Ländern wie Chile, weil es nicht leicht war in den kommenden Jahren. 1973 gab es hier einen ernsthaften politischen Konflikt. Ich machte mir große Sorgen. Meine Frau ist Chilenin.

Nun, mit Victor Blanco hier bekam ich die zweite Hälfte der Nacht. ‚Probier aus, was möglich ist.‘ sagte er mir. Was damals noch nicht viele benutzten, waren photographische Platten mit einer sehr feinen Körnung, die sehr lichtempfindlich für 3 HA war. Ich war mir sicher, dass ich immer lichtschwächere Objekte finden konnte, wie es andere vor mir taten incl Markajan. Ich versuchte es. Ich fokussierte einige bekannte, kürzlich entdeckte, helle Quasare mit einer Rotverschiebung von 2. In jenen Tagen schien das riesig zu sein. Ich nahm das Spektrum, ging hinunter zum Entwicklungsraum, sah mir die Platte an und begriff, dass hier etwas anders war, weil einer der Punkte auf dem Spektrogramm hell war, der andere lichtchwach. Der eine auf der linken Seite wurde immer lichtschwächer. Der helle könnte eine Lyman Alpha Emissionlinie sein und der gelbe Oxygen 6. Ich hatte damals noch kein iPhone, also arbeitete ich heraus, was es war. Das brachte mir viele Freunde.  

An welchen der Teleskope, die wir heute auf Tololo vorfinden, arbeiteten Sie mit?
Bitte beschreiben Sie uns, wie es hier aussah, als Sie hier ankamen, und welche Herausforderungen Sie meistern mussten.

Als ich hier ankam, begann man gerade den Boden vorzubereiten, sozusagen. Eine persönliche Herausforderung? …. Ich war oben in der Primärfokuskabine (prime focus cage) und sah auf den Primärspiegel, als ich plötzlich ein Geräusch hörte und es um mich herum zu vibrieren begann. Ein Erdbeben. Der Kollege, der das Teleskop bediente, sagte nur: ‚Malcolm, ich kann dich nicht da rausholen. Ich hau jetzt ab.‘ Es hätte viel zu lange gebraucht, mich dort herauszuholen. Das einzige, ganz ehrlich, was er machen konnte, war, sich selbst zu retten. Es war eine rationale Entscheidung, das war nicht eigennützig, es war nicht feige. Er ging und ‚I rocked and rolled‘ (Original-Ausdruck Smith).

Wenn ich mich recht erinnere, erlebten Sie das ‚first light‘ hier auf Tololo.
Bitte beschreiben Sie, was Ihnen ‚first light‘ bedeutet.

‚First light‘ ist … (eine längere Pause und ein Lächeln) … ist ein sehr spezieller Moment. Ich war hier, ich war allerdings nicht am Primärfokus, als sie das erste Licht empfingen, aber ich erlebte das Teleskop sehr oft in seiner frühen Phase, bevor es in den vollen Betrieb ging. Aber sogar Menschen, wie Victor Blanco, sagten, du musst mit allem rechnen, vieles kann schiefgehen in den ersten Monaten. Aber so war es nicht. Es lief alles reibungslos. Ich hatte am Kitt Peak gearbeitet und hier war dieses Teleskop, welches dazu konzipiert worden war, noch viel bessere Bilder zu liefern. Wir mussten auf jeden Fall unsere Hausaufgaben machen. Wir hatten sehr gute Leute hier, viele junge Leute. Ältere Astronomen wollten nicht nach Chile kommen. So wurde die Astronomie in Chile in jenen Tagen betrachtet. Das war gut für uns, sechs junge Leute – einer war ich – wir bekamen Jobs hier. Woanders hätten wir kaum eine Chance gehabt. Wir mussten Fertigkeiten im IT-Bereich entwickeln, die es vorher nicht gab. Schließlich gründeten wir eine Computer-Support-Group. Das Ding, an dem wir arbeiteten, arbeitete mit 32K.

Sie sprachen Victor Blanco an … .

Oh ja, Victor Blanco hatte die Leitung hier und er schaffte einen Balanceakt. In den politischen Wirren war er solch eine Stütze und das wurde wirklich wichtig, als die Situation in Gewalt umschlug. Ich erinnere mich an meine Schwiegermutter. Sie besaß ein Auto und der Besitz eines Autos war etwas sehr Spezielles. Manchmal fuhr sie mit dem Auto in die Stadt und die Leute schrien sie an: ‚Capitalista‘. Sie fuhr einen FIAT600.

Es war eine sehr schwierige Welt und Victor Blanco wusste, wie er es richtig macht. Wissen Sie, es ergibt keinen Sinn, eine politische Position zu beziehen, A oder B, besonders, wenn sie Gast in einem Land sind, das gerade dabei ist, eine A oder B Angelegenheit für sich herauszufinden. Victor Blanco half uns, sozusagen, dass wir uns auf die Astronomie fokussierten. Wir hatten hier ein Wohnviertel. Wir wurden gut abgeschirmt und fühlten uns einigermaßen sicher.      

1973 kam Margaret Burbidge10  hierher, nach Tololo, um zu beobachten. Weil ich mit meinen Quasaren herumexperimentierte, unterstützte sie mich als wissenschaftliche Assistentin. Sie benutzte  Messinstrumente, die ihr neu waren und deshalb wusste ich für eine geraume Weile mehr, als sie. Aber das blieb nicht lange so. In der Astronomie wusste sie VIEL mehr als ich. Sie hatte VIEL mehr Erfahrung als ich. Als die Situation in Chile sich zuspitzte, nahm ich Margarets Angebot zum Royal Greenwich Observatory (RGO, Anm. d. Verf.) in Südwest-England zu gehen, mit Freude an. Ich konnte es kaum glauben. Als ich jünger war, wäre ich nie in die RGO aufgenommen worden. Ich nahm ein halbjähriges Sabbatjahr in Großbritannien. Die RGO zog aus London fort. Es gab dort etwas, das nannte sich Lichtverschmutzung. Südost-England war ein besserer Ort.

Arbeiten viele Frauen in der Astronomie?

Nein, damals nicht. Ich kannte Margaret Burbidge und Vera Rubin11. Frauen in der Astronomie – das ist noch ein langer Weg. Ich vergleiche es mit dem Engagement in der Lichtverschmutzung. Man denkt, man kommt voran, aber es ist dann doch ein langer Weg. Ich bedaure, dass sie nicht den Nobelpreis bekam. Ihre Mitarbeiter erhielten ihn, aber sie nicht. Die beiden Frauen hatten ein ungeheures Wissen in vielen Bereichen der Astronomie und ich habe viel von ihnen gelernt.

Als wir unseren Planetariumsvortrag für die Olbers-Gesellschaft vorbereiteten, studierte ich Ihr Curriculum Vitae. Sie sind einer der, oder besser gesagt, DER führende Wissenschaftler, der ernsthafte Bedenken zu unserem sorglosen Umgang mit künstlichem Licht, also Lichtver­schmutzung, weltweit äußert.

Was war der Auslöser, wenn ich so sagen darf, Ihre Bemühungen ‚das Licht‘ an sich zu studieren, zum Thema ‚Vermeidung von Lichtstreuung‘ umzulenken?

Ich meine, das Anliegen jedes Astronomen ist es, für die wissenschaftliche Forschung einen klaren Himmel zu haben. Aber nicht jeder Astronom steckt soviel Energie in diese Problemlösung und das in einem globalen Kontext, wie Sie es tun.

Von Victor Blanco und Dave Crawford, der Mitbegründer der International Dark Sky Association, lernte ich sehr viel. Auch gerade als ich in Tuscon am Kitt Peak arbeitete. Dave rief damals IDA ins Leben, nur ein paar Türen weiter. Obwohl ich am Fabry-Pérot-Interferometer arbeitete, meinem eigentlichen Arbeitsfeld, eignete ich mir bereits damals Wissen zu dem Thema an. Ich nutzte viele Gelegenheiten, Observatorien zu besuchen, z. B. an der mexikanischen Grenze. Dort war es richtig dunkel. Das hatte ich am Kitt Peak nicht erlebt und definitiv nicht in Großbritannien, aber es war auch nicht das beste weltweit. Mehr Erfahrungen sammelte ich auf Hawaii und den Kanaren.

Aber das Thema Lichtverschmutzung erreichte mich am intensivsten, als ich nach Chile, Tololo, kam und das Zodiakallicht sah und die Milchstraße in La Serena. Männer, wie Victor Blanco, waren sich der Notwendigkeit sehr wohl bewusst, dass etwas geschehen musste. Ich stand mit Dave Crawford in Kontakt und wurde allmählich in die IDA eingebunden. Ich war in einem Gremium und wurde auf alle erdenklichen Themen aufmerksam, die mit Lichtverschmutzung zu tun hatten. Später erfuhr ich von den Auswirkungen auf unsere Gesundheit und das war die eigentliche Initialzündung, denn ich hatte Kenntnisse aus meiner Zeit, als ich in der Krebsforschung tätig war. Ich sollte z. B. auf einer nationalen Medizinkonferenz zum Thema Astronomie referieren. Ich entschloss mich, ein wenig dreist zu sein und sprach über Lichtverschmutzung. Ich dachte, sie würden aufgebracht sein, aber sie beachteten mich nicht. Das war in Chile. In den USA war man sich dieses Problems sehr wohl bewusst. Viele kannten mich noch aus der Zeit, als ich im IDA Gremium arbeitete. Es ist auch gut, eine Tochter in einer Umweltorganisation in Großbritannien zu haben, dadurch hatte ich die Möglichkeit, dort mit Biologen zu sprechen. Ich weiß, als Vater ist man immer voreingenommen, aber sie ist richtig gut.

In einer Dokumentation sahen wir die Auswirkungen auf die Fauna, z. B. auf frisch geschlüpfte Meeresschildkröten.

Die Auswirkungen auf die Fauna sind erheblich. Wanderbewegungen von Vögeln sind davon beeinflusst und auch der Mensch ist davon betroffen. Es wird angenommen, dass die normale Melatoninproduktion im menschlichen Körper verringert wird. Schildkröten wandern in die falsche Richtung, angelockt durch die Beleuchtung der Stadt. Ich hatte davon schon vor zehn, fünfzehn Jahren gehört und konnte es selbst beobachten. Wir hatten in La Serena eine Bürgermeisterin, die es auf sich nahm, den Einsatz von schmalbandigem Natriumlicht vorzuschlagen. Wir hatten eine Testphase laufen. Aber wir mussten den Einsatz von Hochdruck-Natriumlampen hinnehmen, weil sie zuverlässiger sind. Es ist besser, Kompromisse zu machen, anstatt vehement zu protestieren. So können wir den Prozess zumindest verlangsamen. Mit dem Bevölkerungszuwachs in La Serena könnte die Zukunft der astronomischen Observationen gefährdet sein, vielleicht noch bevor das LSST fertiggestellt ist. Es musste also etwas unternommen werden. Deswegen sind Kompromisse gerechtfertigt.

Wäre es nicht auch sinnvoll, anstatt Natriumlampen durch weiße LEDs zu ersetzen, gelbe LEDS zu verwenden?   

Das machen wir bereits. Daran forschen wir. Wir haben gelbe LEDs gefunden mit rot und gelb und sehr geringem Blauanteil. Wir haben einen Kollegen, der vollzeit an dem Thema Lichtverschmutzung arbeitet. Es wird Versuchsreihen im Tal (Valle del Elquí, Anm. d. Verf.) geben, die Kosten werden kalkuliert. Wenn wir einen groben Fehler machen, werden die Maßnahmen danach, wohl nicht so gut werden, wie wir es erhoffen. Das ist also, was wir unternehmen, aber wir danken allen, die uns helfen, das Problem zu lösen. Vielleicht findet man es in Deutschland. Wir müssen sehr vorsichtig sein und nicht denken, wenn wir viele weiße LEDs einsetzen, sparen wir Geld und das muss gut für die Umwelt sein. Nein, das ist nicht, was wir wollen. Zuviel Licht ist abträglich für die menschliche Gesundheit und Wanderbewegungen der Vögel und vieles mehr.

Als ich zum ersten Mal versuchte, Lichtverschmutzung in Chile zu thematisieren, bekam ich folgende Antwort von den lokalen Behörden: ‚Hör zu, Gringo, wenn du originelle Beleuchtung haben willst, dann kauf sie selbst.‘ Sie wollten den Strand beleuchten, weil es Touristen hierher lockt. Die Argumente hießen: ‚Wir tragen Verantwortung für unsere Leute, wir brauchen Jobs. Hört ihr, ihr Astronomen, wir haben echte Arbeit zu leisten.‘ Daran glaubten sie. Somit war es unser Job,  das zu ändern und das war nicht trivial.

Eines Tages fuhr ich nach Vicuña und wir trafen dort  einige Leute. Zwei Monate später riefen sie mich an: ‚Sie arbeiten an diesem Lichtverschmutzungszeug. Wir würden gern helfen.‘ Ich war überrascht. Die Initiative kam auf mich zu. Ich wusste nicht genau, wie sie mir helfen wollten. Sie sagten, dass sie kaum finanzielle Mittel hätten und somit versuchte ich Geld für ihre Bemühungen aufzutreiben, aber Chile wurde damals finanziell nicht unterstützt. Ich wurde gewarnt, dass die Menschen dort vielleicht nur die Baupläne für das Observatorium haben wollen, aber sie würden niemals Geld hineinstecken. Also fuhr ich in das Tal und wir begannen unsere Gespräche. Ok, sagte ich, die USA sind reicher als Chile, aber wenn ihr die Hälfte der Mittel aufbringt, werde ich meine Verbindungen spielen lassen und die andere Hälfte auftreiben. Ich erkannte, dass die Menschen in Vicuña sich ernsthaft für dieses Projekt engagierten. Der Plan war, ein 8 inch Teleskop zu erwerben. Was damit gemacht werden sollte und wie hoch die Kosten sein würden, sollten die Leute in Vicuña selbst herausbekommen. Ich hätte ihnen Kontakte anbieten können, ich hatte schließlich viele Verbindungen, aber ich wollte sehen, ob sie es ernst meinten. Und sie taten es!

Ich hatte den Vorteil über meine Kontakte die Teile für das Teleskop zu erhalten, darin konnte ich trumpfen, aber sie hatten den Vorteil des Einflusses auf lokaler Ebene, einen Vorteil, den ich würde nie haben können – ich erinnere Sie an die Diskussionen in La Serena – und darin konnten sie trumpfen. So konnten wir zusammen arbeiten. Ich schickte einen Finanzierungsantrag zur National Science Foundation. Zu meiner großen Überraschung bekam ich bereits nach drei, vier Wochen eine Zusage anstatt nach einem halben Jahr oder so. Ich fuhr also nach Vicuña und sie sagten ‚Dieser Typ ist großartig.‘ Dabei hatte ich nur viel Glück gehabt.

Ich sagte ihnen, wenn ihr ein Amateurteleskop für die Öffentlichkeit haben wollt, dann macht es keinen Sinn, es auf den Marktplatz zu stellen, aber auch nicht 100 km nördlich von Vicuña, denn dann fährt keiner hin. Wir mussten also eine Alternative finden und das ist das erste touristische Observatorium Chiles (Mamalluca, eröffnet November 199812, Anm. d. Verf.). Ich orderte das Teleskop, eine große Kiste mit vielen Teleskopteilen kam dort an. Ich stellte es auf den Marktplatz von Vicuña. Sie wollten, dass ich es auspacke und zusammenbaue, aber ich sagte ihnen, dass es nicht mein Teleskop sei, und dann bauten sie es selbst zusammen. Sie bauten es auf dem Marktplatz zusammen.

‚Herzlichen Glückwunsch zum Bau eures Teleskops‘, sagte ich ihnen. Alles lief so wunderbar. Ich werde es nie vergessen. Eine Woche später trafen wir uns auf dem Marktplatz und da stand es, zusammengebaut, und wir sahen uns einige Planeten an. Da war eine ältere Dame und sie sah durch das Okular und sie war so fasziniert. Sie begann vor Freude zu weinen. Sie war ganz verzaubert. Das werde ich nie vergessen. Eine wundervolle Erfahrung.

Eine weitere Anfrage kam aus Andacollo (Die Initiative wurde im Jahr 2002 ins Leben gerufen13, Anm. d, Verf.). Die Bürgermeisterin, Marcelina Cortés, war sehr interessiert, aber sie erntete heftige Kritik, weil sie angeblich ihre Zeit und Geld, dass der Gemeinde zustand, für diesen Blödsinn, Sterne zu beobachten, ausgeben wollte. ‚Wir brauchen das Geld für reale Projekte. Wir müssen an die Leute denken. Wir sind Minenarbeiter, wenn du unsere Resourcen nicht in das Minengeschäft steckst, verdammt nochmal, dann sind unsere Leute arbeitslos.‘ Sie hatte einen verteufelt schweren Stand. In der Zwischenzeit hatte ich herausgefunden, dass der Präsident Chiles ein Amateurastronom war und er kam nach Andacollo und eröffnete das Observatorium (Collowara, Anm. d. Verf.), das in der Nähe war. Heute versteht jeder, dass es eine gute Idee war. Dies ist nur eine von vielen wundervollen Geschichten. Ich arbeite mit Schulen zusammen. An einer Schule gab es ein Umweltschutzprojekt, kreatives Recycling etc., also nicht nur Astronomie, und da war ein Junge, der ein ziemlich schlechtes soziales Umfeld hatte und sich unmöglich benahm, so hieß es, aber ein heller Kopf sein sollte. Er hat sich in das Thema Lichtverschmutzung eingearbeitet und einen großartigen Vortrag gehalten. Er soll so undiszipliniert gewesen sein, sagten mir seine Lehrer, und jetzt ist er ein Held. Es fing mit der Astronomie an.

Wenn wir Chilenen erklären, dass wir nach Chile wegen der Astronomie und der Astrofotografie reisen, sind sie erstaunt. Auch, dass wir Europäer diesen klaren Himmel nicht mehr haben.

Sie können sich vorstellen, wie die Leute reagierten, als ich das Projekt in Vicuña begann. Diese ideenreichen Menschen dort hatten die Vision, es auszuprobieren und investierten Gemeindegelder in ein verrücktes Projekt. Es ist nicht perfekt, aber es hat seine Auswirkungen. Es erschafft Jobs. Ich hatte eine ähnliche Diskussion mit einem französischen Lehrer, der fragte: ‚Was soll der ganze Quatsch? Was geht mich das an?‘ Aber jetzt kommen Menschen wie Sie hierher und zwar genau aus diesem Beweggrund.

Sie erzählten mir von den Sternenparks in Deutschland und dass Sie selbst seit Mai dieses Jahres Astrofotografie betreiben. Bitte seien Sie nicht zurückhaltend. Babak Tafreshi14 (der Gründer von The World at Night – TWAN –, Anm. d. Verf.) kannte niemand. Er ist ein außergewöhnlicher Fotograf und arbeitet für NatGeo (National Geographic, Anm. d. Verf.). Ich kannte ihn schon, als er noch unbekannt war. Er ist Iraner. Er ist hervorragend und ich hatte das Glück, in einer Schlüsselposition zu sein, so dass ich ihm helfen konnte und zwei Referenzschreiben verfasste, damit er den Job bei der National Geographic bekam. Jetzt erzählt er uns das eine oder andere. Er ist fantastisch. Es ist verblüffend, was daraus entstehen kann.

Auf der CTIO-website fand ich folgende Schlagzeile: ‘Chilean Astronomical Site Becomes World’s First International Dark Sky Sanctuary’ 15

Es heißt, dass AURA in Chile sich zu einem Langzeitprojekt verpflichtet, um den dunklen Himmel durch ein Lichtmanagement zusammen mit umfassender Bildung und Öffentlichkeitsarbeit zu schützen. Die Oficina de Protección de Calidad de los Cielos (OPCC) [Büro zum Schutz der Himmelsqualität, Anm. d. Verf.], ist ebenfalls beteiligt. Auf derselben Seite wird auch gesagt, dass die Ernennung zum ‚Dark Sky Sanctuary‘ nur der Beginn in dieser Region sei. In diesem Zusammenhang wird auch von Chiles ‚Dark Sky‘ als einer natürlichen Resource gesprochen.

Auf den ersten Blick scheinen die Astronomie und der Ökotourismus zwei wichtige wirtschaftliche Säulen zu sein. Sprechen wir aber über natürliche Ressourcen, dann stellt der Abbau von Rohstoffen wie Kupfer, Lithium oder Gold eine weitere Säule dar. Der Bergbau konzentriert sich hauptsächlich in der Region ‚Norte Grande‘ und umspannt die meisten Teile der Atacama. Als wir vor zwei Jahren auf Collowara waren, sahen wir auf der einen Seite in der Ferne das CTIO, SOAR und Gemini Sur. Als wir uns umdrehten, sahen wir die Kupfermine ‚La Mina de Carmen‘ der  kanadischen Firma Teck, die sich immer mehr Collowara zu nähern scheint.  

Wie glauben Sie, wird es möglich sein, astronomische Sanktuarien, wie das ‘Gabriela Mistral Dark Sky Sanctuary’ gegenüber dem Eindringen oder auch der Zerstörung durch den Bergbau zu schützen?

Das sind schwierige Fragen. Wir müssen große Vorsicht walten lassen, in der Art, wie wir damit umgehen. Das ist Ihnen klar und dass ist den meisten von uns klar. Der Bergbau ist viel wichtiger für Chile, als wir es im Moment sind. Nichtsdestoweniger gibt es auch eine andere Seite, die Umwelt zu verbessern und all diese Dinge, aber das hängt in erster Linie von den Chilenen ab. Wir müssen mit den Chilenen arbeiten und sie mit den Informationen versorgen, die sie brauchen, um ihre Entscheidungen zu  treffen. Ich kann ihnen nicht die Entscheidung abnehmen, aber was wir tun können, ist ihnen die beste Information zu geben und das mit Respekt. Die Menschen sind vom Bergbau abhängig, alles Mögliche hängt davon ab. Ohne den Bergbau werden sie leiden. Wir können nicht hier einfallen und ihnen sagen, wie die Dinge laufen sollen. Diese Haltung funktioniert nicht und sie tut niemandem gut. Und wenn es zu guter Letzt das Ende des Himmels bedeutet, dann haben wir eben verloren. So ist es dann. Wir müssen unser Bestes tun und das mit Respekt. Ich denke, etwas Besseres wird stattfinden. Es gibt Menschen, die von diesen Dingen viel mehr verstehen, als ich. Ich bin nicht in der Regierung. Ich denke, wir haben eine Chance. In Andacollo konnten wir das erst neulich erfahren. Vor nur einer Woche fuhr ich mit einer kleinen Gruppe von Vertretern der Gemeinde auf den Berg, so dass sie sehen konnten, wie sich die Situation für uns gestaltet. Dort gibt es ein Stadion mit äußerst heller Beleuchtung, die sie zu bestimmten Ereignissen anschalten. Wir wollten zumindest, dass sie sich unsere Belange anhören und verstehen, was uns Sorgen bereitet. Regen war angekündigt und deshalb konnten die eigentlich Verantwortlichen nicht kommen. Eine Regelung in der Gemeinde Andacollo besagt, dass bei Regen ein bestimmter Personenkreis vor Ort bleiben muss. Es kamen andere Repräsentanten aus Andacollo, die Mitbewohner anriefen, damit sie das Licht im Stadion anschalten. Als sie die Lichtflut sahen, waren sie geschockt und entschieden sofort, dass sie das ändern müssen. Und das war genau das, was wir wollten. Deshalb müssen wir geduldig sein und Überzeugungsarbeit leisten. Eine zeitlang wird es unbequem sein, aber sie wollen es ändern und wir werden ihnen dabei helfen. 

In dem chilenischen Online-Magazin ‚elobservatodo‘ fand ich eine ähnliche Situation, die das Valle del Elquí betrifft. Die australische Firma Hampton Mining plant, 12.000 ha nahe Vicuña aufzukaufen.16 Können Sie uns sagen, wie der Stand der Dinge ist?

Ich besitze keine politische Autorität hier. In der Vergangenheit hätte ich es besser beantworten können, aber ich bin jetzt vermehrt in den leisen Dingen unterwegs. Hier wird die Umwelt nicht beachtet und die lokale Bevölkerung beschwert sich darüber dermaßen, dass es jetzt in der Presse auftaucht.

Es sind meine Bosse und AURA, die sich darum kümmern. Ich kann Ihnen nur versichern, dass wir beunruhigt sind, aber wir müssen auf die richtige Art und Weise reagieren. Eine Überreaktion wird wenig hilfreich sein. Es ist richtig, dass Sie uns darauf ansprechen, und wir sind uns der Problematik bewusst, aber zum jetzigen Zeitpunkt kann ich Ihnen nicht mehr sagen.

Vor einigen Jahren machte ich den Vorstoß, die Expansionsrate La Serenas zu diskutieren. Sie ist gewaltig in dieser Gegend. Ich sagte vorhin, dass ich früher die Milchstraße vom Stadtzentrum aus sah. Das gehört heutzutage der Vergangenheit an, wie Sie sich vorstellen können. Wer würde heute noch die Milchstraße bemerken? Es ist eine Katastrophe, und so gesehen funktionieren unsere Bestrebungen gegen Lichtverschmutzung nicht. Bis zu einem bestimmten Grad stimmt das, aber es wäre deutlich schlimmer, hätten wir gar nichts unternommen.

In der gesamten Zeit wurden große Teleskope weiter im Norden gebaut. Deutschland ist mit der ESO vertreten. Dort ist ein guter Ort für Teleskope. Tatsächlich haben einige von uns die Standortaufnahme gemacht und haben Unterstützung gegeben. Irgendwo wird stehen, dass, man wird nicht sagen wer, aber es wird dort stehen, dass ESO und AURA in den Bereichen zusammengearbeitet haben und dass eine erneute Standortaufnahme für einen bestimmten Berg nicht notwendig wurde.17 Klasse, wir haben zusammen gearbeitet. Manchmal passiert es, es sollte öfter geschehen, es geschieht nicht oft genug. Einiges entwickelt sich in die positive Richtung.

Zum Abschluss unseres Interviews bitte ich Sie, kurz einige Fragen zu beantworten.

Die Sprache der Wissenschaft ist hauptsächlich die des Konjunktivs. Es wird gesagt ‚Wir nehmen an, dass …‘ ‚Es könnte sein, dass …‘.
Haben Sie manchmal den Wunsch, mehr den Indikativ benutzen zu können?
In welchem Bereich der Astronomie oder Astrophysik hätten Sie gern Ihre erste Antwort?

Oh wow, das ist schwierig. Wenn es etwas wäre, was der Menschheit auf diesem Planeten hülfe, das wäre ein guter erster Schritt. Mit Kindern können wir diesen Beitrag leisten und hoffen, dass sie weiser als wir sein werden und  es besser machen. Was können wir sonst machen. Unser Wissen ist begrenzt und die Lücken sind groß. Ich lerne immer mehr dazu und das genieße ich. Die Natur ist einfach wundervoll.

In unserer heutigen Welt sind Wissenschaftler mit ethischen Dilemmata konfrontiert.
Was meinen Sie, ist das größte?

Das ist schwierig zu beantworten. Die Wissenschaft wird immer für Gutes und für Böses benutzt werden. Ich persönlich habe sicherlich kein Interesse mehr an der Atomforschung. Ich wäre sicherlich nicht daran interessiert, die gewaltigste Explosion zu erzeugen oder dem beizuwohnen. Wir sollten weiser werden. Aber ich weiß nicht, wie wir das bewerkstelligen sollen. Ich ziehe es vor, positiv über diese Themen zu denken und manchmal treffe ich Menschen und erkenne, dass auch sie nicht die Antworten auf alle Fragen haben, aber sie versuchen, sie zu finden. Wir können alle etwas beisteuern und das ist motivierend. 

Wenn Sie nachts in den Sternenhimmel sehen, besonders hier in Chile, und Sie die Pracht der Milchstraße bewundern, was beeindruckt Sie am meisten aus der Sicht des Wissenschaftlers und aus Malcolms Sicht?

Oh, ich mag die Frage, weil ich Wissenschaftler bin. Ich versuche, Dinge zu machen, die Wissenschaft beinhalten und dank der Wissenschaft führe ich dieses Leben. In den Himmel zu schauen, ist ein Gefühl. Es geht dabei nicht nur um reine Logik, aber die Logik fließt auch zurück in das Gefühl. Sehe ich mir die Natur an, dann ist das inspirierend. Es schenkt mir Freude. Ich wünsche mir, es zu teilen. Es gibt so viele Menschen, die viel besser teilen können und ich versuche, mit ihnen zusammen zu arbeiten und manchmal kann ich ihnen helfen. Babak Tafreshi ist ein klassisches Beispiel. Er brauchte mich nicht, aber ich konnte ihm helfen. Er ist sehr gut, aber er konnte nicht vorankommen. Warum? Weil er aus dem Iran kam. Was zum Teufel, weiß er von Fotografie? und dann für die US National Geographic? Nein, nein, so was kann nicht gut gehen – wissen Sie, so wurde gedacht. Aber er hat es geschafft und darüber hinaus. Er inspiriert uns ständig.

Dr. Smith, wir danken Ihnen sehr herzlich für dieses ausführliche Gespräch. Bereits vor zwei Jahren durften wir viel von Ihnen lernen und wir bedanken uns auch, dass Sie uns erlauben, Ihr Portrait, das eines außergewöhnlichen Menschen und Kosmologen, noch mehr Menschen, unseren Lesern, näher zu bringen.

Was noch zu sagen wäre: Dr. Malcolm Smith gehörte zu dem Kommitee, dass das erste Treffen der von der UNESCO gesponserten ‚Starlight‘-Initiative18 organisierte. Die Frage ist, wie eine Nominierung Nordchiles als ein UNESCO Weltkulturerbe der Wissenschaft möglich gemacht werden kann. Die Ziele sind klar: der Schutz des Nachthimmels als Vermächtnis an die folgenden Generationen. Es gilt aber auch die wissenschaftlichen astronomischen Anlagen der ESO, die von Las Campanas und der AURA zu schützen, damit bodengebundene  leistungsfähige optische Teleskope uns auch in Zukunft Antworten auf die grundliegenden Fragen der Menschheit geben können. 

Wissenschaftler wie Dr. Malcolm Smith sind hartnäckige Wegbereiter und Verfechter unseres Welterbes auf unserem blauen Planeten mit einer ständig wachsenden Weltbevölkerung. Indem sie uns an den Ergebnissen ihrer Arbeit teilnehmen lassen, animieren sie uns geduldig zum Umdenken und setzen auf unsere Klugheit.

Konzeption, Durchführung und Auswertung des Interviews, Übersetzungen aus dem Englischen: Karin Cornelia Dörpmund – Fotos, fachwissenschaftliche Beratung und Redaktion: Lutz J. Dörpmund

Quellenverzeichnis:

  1. http://www.ctio.noao.edu/noao/node/1032
  2. AURA repräsentiert 40 USamerikanische Universitäten und vier internationale Partner, die cutting-edge, also innovative professionelle astronomische Einrichtungen betreiben. Dazu gehört das National Solar Observatory, das National Optical Astronomy Observatory, Gemini Observatory, das Large Scale Synoptic Telescope und das Space Telescope Science Institute. In Chile verwaltet AURA die Teleskopanlagendes Cerro Tololo, Gemini Sur, SOAR und das zukünftige LSST  unter einem Kooperationsvertrag mit der  National Science Foundation of the United States. Diese Teleskope stehen in einem fast unberührten 36.000 Hektar großen Areal im Valle del Elquí. AURA kaufte das Land in den frühen 1960ern von der chilenischen Regierung. Das Land darf nur zur astronomischen Forschung genutzt werden. Die sog. ‚natural darkness‘ konnte über Jahrzehnte erhalten werden. Zu Ehren der chilenischen Nobelpreisträgerin Gabriela Mistral (1889-1957) wurde die Gegend um das Valle del Elquí “Gabriela Mistral Dark Sky Sanctuary” genannt. [http://www.darksky.org/chilean-astronomical-site-becomes-worlds-first-international-dark-sky-sanctuary/]
  3. https://www.darksky.org/
  4. https://www.noao.edu/news/2012/pr1202.php
  5. Das Fabry-Pérot-Interferometer, auch Pérot-Fabry-Interferometer, wurde 1897 von den französischen Physikern Charles Fabry und Alfred Pérot entwickelt. Es ist ein optischer Resonator, der aus zwei teildurchlässigen Spiegeln gebildet wird. Ist der Spiegelabstand unveränderbar (bspw. Glas mit aufgedampften Spiegeln), werden diese Aufbauten auch als Maßverkörperung benutzt und dann als Fabry-Pérot-Etalon bezeichnet. Ein eintreffender Lichtstrahl wird nur dann durch diesen Aufbau geleitet (transmittiert), wenn er dessen Resonanzbedingung erfüllt. Damit lässt sich das Fabry-Pérot-Interferometer u. a. als optischer Filter einsetzen, der aus einer breitbandigen Strahlung ein schmalbandiges Spektrum herausfiltert. Spiegelverschiebungen ermöglichen es darüber hinaus, die spektralen Eigenschaften der transmittierten Strahlung einzustellen.  (Quelle: wikipedia, abgerufen am: 4. November 2018)
  6. ‚Vermutlich bedeutet es, dass damals keiner mit örtlicher Auflösung gearbeitet hat. Lediglich eine Dimension wird aufgelöst.‘ (Quelle: e-mail von Carsten Reese, 20. Februar 2019)
  7. Benjamin Markarjan, (…) * 29. November 1913 in Schulawer, heute Schaumiani, Georgien; † 29. September 1985; (…) war ein armenischer Astrophysiker.
    Markarjan war seit dessen Gründung 1946 am Byurakan-Observatorium tätig und arbeitete an Theorien über die Sternentstehung, Galaxienhaufen und Superhaufen. Er beschäftigte sich allgemein mit Sternassoziationen und verfasste den ersten systematischen Katalog mit O-Assoziationen. Für diese Arbeiten erhielt er 1950 zusammen mit Viktor Hambarzumjan den Stalinpreis. In den 1960er Jahren beobachtete er intensiv eine Gruppe von Galaxien mit aktiven Kernen, die besonders helles, blaues Licht mit einem hohen UV-Kontinuum aus dem Zentrum abgeben (Seyfertgalaxien, Blasare und Quasare). Er fasste einige hundert dieser Objekte zu einem Katalog zusammen, der heute den Namen Markarjan-Katalog trägt und etwa 1500 Objekte umfasst. Die Galaxien werden heute als Markarian-Galaxien bezeichnet. In den 1970er Jahren beobachtete er mehrere Galaxien des Virgo-Galaxienhaufens, die den Namen Markarjansche Kette erhalten haben. (Quelle: wikipedia, abgerufen am: 4. November 2018 )
  8. „Schmalstes Prisma“ heißt, dass der benutzte Spalt sehr schmal war. Damit kommt wenig Licht an. Er hatte aber einen hochempfindlichen, feinkörnigen Film, womit er das ausgleichen konnte. (Quelle: e-mail von Carsten Reese, 20. Februar 2019)
  9. http://www.ctio.noao.edu/noao/content/Victor-Blanco
  10. Margaret Burbidge (geb. Eleanor Margaret Peachey) (* 12. August 1919 in Davenport, Greater Manchester) ist eine US-amerikanische Astrophysikerin britischer Herkunft. Sie war die erste weibliche Direktorin der Royal Greenwich Observatory und leistete unter anderem bedeutende Forschungsbeiträge über Quasare, Masse und Rotation von Galaxien und die stellare Kernfusion. (…) Von 1962 bis 1964 arbeitete Margaret Burbidge in der astronomischen Forschung an der University of California, San Diego (UCSD) und hatte dort anschließend eine Astronomie-Professur inne. 1972 unterbrach Burbidge diese Tätigkeit, um ein Jahr lang das Royal Greenwich Observatory zu leiten. Im Gegensatz zu männlichen Direktoren wurde ihr nicht gleichzeitig der Ehrentitel eines Astronomer Royal verliehen, was Burbidge als Diskriminierung wertete. Aus dem gleichen Grund lehnte sie 1972 den Annie-Jump-Cannon-Preis für Astronomie der American Astronomical Society (AAS) ab, der nur an Frauen verliehen wird. In der Folge richtete die AAS ein ständiges Komitee ein, das sich mit dem Status von Frauen in der Astronomie beschäftigte. 1976 wurde Burbidge für zwei Jahre Präsidentin der AAS.[1] (Quelle: wikipedia – aus: Biografie von Margaret Burbidge, britannica.com, abgerufen am 18. September 2012.)
  11. Vera Cooper Rubin (* 23. Juli 1928 in Philadelphia, Pennsylvania; † 25. Dezember 2016 in Princeton, New Jersey)[1] war eine US-amerikanische Astronomin, die sich vorwiegend mit der Erfassung der Verteilung der Dunklen Materie beschäftigte. (…) Besondere Aufmerksamkeit hatte Rubin der Rolle von Frauen in der Wissenschaft gewidmet. Ihr selbst war noch der Zugang zur Princeton University verweigert worden. (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Vera_Rubin; Geburts- und Karrieredaten nach American Men and Women of Science, Thomson Gale 2004)
  12. Mamalluca Observatory is located 9 kms. northwest of Vicuña, the observatory opened in November 1998, a project designed by the Municipality of Vicuña together with the Club of Amateur Astronomy (CASMIA) and sponsored by the Inter-American Observatory in Cerro Tololo. In its first stage of Mamalluca Observatory, (a total of 5) there is a 12-inch telescope donated by AURA. It includes CCD detectors for electronic photography, as well as computer equipment for data transfer. (https://www.astronomictourism.com/mamalluca-observatory.html; abgerufen am: 2. Dezember 2018)
  13. Bajo este escenario, la Municipalidad de Andacollo impulsando el desarrollo de la actividad turística en la comuna, el año 2002 postuló al Fondo Nacional de Desarrollo Regional (F.N.D.R.) el proyecto denominado “Construcción de Observatorio Astronómico – comuna de Andacollo” en conjunto con el Servicio Nacional de Turismo SERNATUR. (https://www.collowara.cl/nosotros/; abgerufen am: 2. Dezember 2018)
  14. http://www.twanight.org/newtwan/index.asp
  15. http://www.darksky.org/chilean-astronomical-site-becomes-worlds-first-international-dark-sky-sanctuary/
  16. http://valledeelqui.cl/menu2013.html
  17. ‘Until 2007, I was involved in negotiations with the Chilean Authorities regarding possible future sites in Northern Chile for the TMT all of which I had visited (and which included Cerro Armazones at 3,060m, which became the site that was recommended by the ESO Site Selection Advisory Committee for the 40m E-ELT; the SSAC noted that „For the sake of efficiency“, the sites – all in North and South America – preselected by the TMT site selection team from the US – „were not studied by the ESO team, as the TMT shared their data with the SSAC“.  Cerro Armazones was selected by ESO on 26th April 2010.  The TMT management showed greater interest in installation on Mauna Kea.’ (http://www.ctio.noao.edu/noao/node/1032)
  18. http://www.darkskiesawareness.org/files/FinalReportFuerteventuraSL.pdf

Ein Tagebuch zu schreiben mag uns in späteren Tagen nur rudimentäre Eindrücke von dem vermitteln, was wir wirklich fühlten, als wir bestimmte Ereignisse durchlebten. Gedanken und Gefühle sind flüchtig, eben Windhauch. Auch wenn von einem Konglomerat aus Erlebnissen, die uns prägen, die in uns Bilder hervorrufen, die das Staunen konservieren, die Freude am Gehörten und Gesehenen bewahren, nur einzelne Worte bleiben, so können doch genau diese einzelnen Worte eine ganze Welt wieder zum Auferstehen erwecken. Deshalb entschied ich mich, dieses besondere Tagebuch, das chilenische Sternentagebuch zu schreiben, in das Lutz und meine Erlebnisse und Erkenntnisse einfließen sollten.

Chile an sich war nicht unbedingt für uns der ultimative Urlaubsort, aber die Sterne waren es. Als lichtüberflutete Europäer, die sich, obwohl bereits in den 50ern geboren, also in Zeiten größerer Dunkelheit, nur undeutlich erinnern konnten, jemals die Milchstraße gesehen zu haben, zog es uns dorthin, wo es die Milchstraße noch in ihrem spektakulärem Glanz zu sehen gibt – nach Chile.

Die Sterne entdeckte ich erst spät in meinem Leben, so ab 2005, als Lutz begann, mir die Sterne per APOD vom Himmel zu holen. Ganz besonders den Carina-Nebel, weil er meinen Namen trage, sagte er. Auf Englisch sagt man: ‚I was hooked for life.‘

Das bezog sich nicht nur auf die Carinaregion der südlichen Hemisphäre, die Pracht der stellaren Kulisse an sich und den klaren Nachthimmel. 😊

Carinaregion – aufgenommen in Cancana – Lutz Dörpmund – 20180709_204607 PAN_2137

Einen nicht geringen Einfluss hat auch Professor Brian Cox, der in seiner, im anglophonen Bereich, äußerst populären ‚Wonders of ….‘ Serie die LeserInnen und ZuschauerInnen auf eine epische Reise durch unser Universum mitnimmt, so wie es bereits Carl Sagan tat und heute Professor Harald Lesch. Und als Mitglieder der Olbers-Gesellschaft in Bremen sind Lutz und ich, als Amateur-Astrofotografen, mitten im stellaren Leben gelandet.

Chile bedeutet für viele Menschen: Wein, Valparaíso, Pablo Neruda, mit bitterem Nachgeschmack Pinochet, Patagonien, Pisco Sour und vielleicht noch Erdbeben. Für astrophile Mitmenschen bedeutet es VLT, A.L.M.A., LSST, CTIO, APEX, TAO, Oktans, Kreuz des Südens, Carina-Nebel … und vor allem CLEAR SKIES.

Lutz Dörpmund – 20180713_222818 PAN_2333_stitch

Auf unserer Sternentour mit Besuchen einiger ESO-Standorte, aber auch des CTIO nahe La Serena in der Region Coquimbo und ganz besonders auch einiger kleiner Observatorien, sowohl als Gemeindeprojekt als auch in privaten Händen (manchmal auch eine Kombination aus beiden), erkannten wir die Komplexität und das Miteinander in einem Land, dessen wirtschaftliches Hauptinteresse der Abbau der Bodenschätze ist. Aber auch der Ökotourismus ist eine der Einkunftsquellen. Hierbei spielt die Astronomie eine immer größere Rolle. Die Attraktivität dieses Zweiges der chilenischen Wirtschaft wächst und gewinnt auch bei den Chilenen immer mehr an Zustimmung.

Dieses chilenische Tagebuch wird einige Impressionen vermitteln, die oben Genanntes widerspiegeln. Wir hatten das große Glück, Interviews mit Astronomen unterschiedlich großer Observatorien führen zu dürfen, die uns in ihre Arbeit hineinblicken ließen. Aber gleichzeitig handelt es sich um Portraits von Menschen, die von und mit der Astronomie leben. Ihr Enthusiasmus vor allem bei den Chilenen das Bewusstsein zu schärfen, dass der sternenklare Himmel zum nationalen Kulturgut Chiles gehört und schützenswert ist, ist beeindruckend. Somit steht die Lichtverschmutzung an oberster Stelle. Wir erfuhren außerdem viel über die Themen Bergbau, Wachstum der urbanen Zentren und auch wie der Massentourismus ihre Arbeit beeinflusst und viele kleine Anekdoten, die sich um die Astronomie drehen.

Wir sprachen mit Dr. Malcolm Smith vom Cerro Tololo Inter-American Observatory im Headquarter in La Serena, Alain Maury auf SPACE nahe San Pedro de Atacama und Diego und Marcelo Berenguer vom Observatorium Cancana in Cochiguaz, im Valle del Elquí. Astronomische Observatorien scheinen wie Pilze aus dem chilenischen Boden zu schießen. Die Erde in der Atacama mag, laut Alain Maury, nicht gut für das Wachstum von Bäumen sein, besonders seines Pfefferbaumes, aber sie ist es für Teleskopanlagen.

Nördlich des lichtverschmutzten Großraums Santiago befinden sich Observatorien, die ‚cutting-edge astronomy‘ betreiben, wie z. B. die der ESO. Aber es gibt auch von Gemeinden geführte Observatorien wie z. B. Cruz del Sur, Collowara oder Mamalluca (alle drei in der Sternenregion – la región estrella – Coquimbo), die, wie bereits oben erwähnt, Chiles nationales Kulturgut hegen und pflegen. Die mittlerweile zahlreichen privaten Observatorien sind zwischen dem Streben das nationale Kulturgut zu schützen, die chilenische Bevölkerung für die Astronomie zu sensibilisieren und dem Ausschöpfen einer lukrativen Einnahmequelle anzusiedeln.

Die Karte soll einen Einblick in diese ‚Teleskoplandschaft‘ vermitteln. Sie wurde von uns mittels vielerlei Recherche (Internet, Straßenkarten, Flyer und ‚zufällig-im-Vorbeifahren-entdecken‘) erstellt, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Kategorien der Observatorien

Gemeinde

private

Wissenschaftliche

Wissenschaftliche in Planung / Bau

Sehen wir uns diese Teleskoplandschaft genauer an, erkennen wir, dass sich eine Art Epizentrum im Raum Coquimbo-La Serena (La Serena ist die zweitälteste Stadt Chiles) befindet. Hier gibt es aus jeder der o. g. Kategorien Observatorien. Viele wurden bereits in den 1960er gebaut (Las Campanas, La Silla, CTIO). Genauso finden wir hier in Chile sehr bekannte Observatorien, die von den Gemeinden etabliert wurden (Mamalluca, Cerro Mayú, Collowara und Cruz del Sur) und auch private, wie z. B. Elquí Domos (Hotelanlage mit Möglichkeiten Astrofotografie zu betreiben), Hacienda Los Andes (Teleskopanlage und Trekkingtourismus unter deutschsprachiger Leitung), Cancana (Astrotouren und spirituell geprägter Ökotourismus unter der Leitung von Marcelo und Diego Berenguer) oder El Pangue (von vielen Chilenen hochgelobt, weil dort studierte Astronomen arbeiten).

Den Grund für diese Anhäufung an astronomischen Anlagen in Chile fasste Felipe Campos 2013 im ersten Absatz seines Artikels ‚Seminario internacio​nal sobre la Protección del Cielo Nocturno del Norte de Chile en Enjoy de Coquimbo‘ [Internationales Seminar zum Schutz des nördlichen chilenischen Nachthimmels in ‚Enjoy de Coquimbo‘], in der Zeitschrift ‚Cosmo Noticias‘ wie folgt zusammen:

‚Chile ist das Zentrum der weltweiten Astronomie. Der Norden unseres Landes bietet außergewöhnliche Bedingungen für diese wissenschaftliche Disziplin; es verfügt über eine der trockensten Wüsten der Welt, eine Atmosphäre, die ein exzellentes Seeing ermöglicht, wolkenlose Nächte und eine geringe Bevölkerungsdichte (…). Dies verwandelt (den Norden Chiles, Anm. d. Verf.) in den perfekten Ort für den Bau großer astronomischer Anlagen. Das Niveau der begrenzten Lichtverschmutzung aufrecht zu erhalten ist eine bedeutende Herausforderung. In dem vor einigen Jahren veröffentlichten ersten “Atlas mundial de luminosidad nocturna artificial” [‘World Atlas of the Artificial Night Sky Brightness’, Anm. d. Verf.] kommt man zu dem Schluss, dass die Hälfte der Europäer und ein Drittel der Nordamerikaner die Milchstraße aufgrund des hohen Grades an Lichtverschmutzung nicht mehr sehen können. Das beeinträchtigt nicht nur die astronomische Beobachtung: es beinhaltet gleichsam Energieverschwendung und gefährdet die Gesundheit der Menschen und der Ökosysteme.‘ [Übersetzung der Verfasserin]

Quelle: cosmonoticias.org (Posted on 8 octubre, 2013 por Felipe Campos)

Fahren wir auf der Karte einige Hundert Kilometer weiter in den Norden, sehen wir zwischen Chañaral und Antofagasta das VLT auf dem Cerro Paranal und das sich im Bau befindende ELT fast gegenüberliegend auf dem Cerro Armazones. Obwohl sich die Namensgeber keiner großen kreativen Schöpferkraft rühmen können (Very Large Telescope und Extremely Large Telescope), so haben sich die Ingenieure und Planer dieser stellaren Beobachtungsmaschinen ihren Platz in den ersten Rängen der Astrophysik und der Astronomie sehr wohl verdient.

Das Areal zeichnet sich durch äußerste Trockenheit aus. Uns wurde gesagt, dass die Luftfeuchtigkeit manchmal sogar nur 2% betragen kann. Trinkwasser wird jeden Tag in mehreren Tanklastwagen aus Antofagasta geliefert. Dies sind äußerst gute Bedingungen, um astronomische Beobachtungen durchzuführen, denn hier gibt es keine Siedlungen, ergo auch keine Lichtverschmutzung, und auf ca. 2600m ü.N.N. sind die atmosphärischen Störungen gering. Mittels des Narrow-Field-Modus der Adaptiven Optik des MUSE/GALACSI-Instruments am VLT (auch als Lasertomografie bezeichnet) können z. B. bessere Ergebnisse erzielt werden, als mit dem Hubble-Teleskop.

Taltal und Antofagasta sind die zwei nächstgelegenen Orte, von denen aus das ELT und VLT erreichbar sind. Die Fahrzeit beträgt je nach Zustand der schlaglochverzierten B-710 ca. 1½ Stunden. Es mutet schon eigenartig an, dass in einem der wasserärmsten Areale unseres Heimatplaneten nach Wasser auf Exoplaneten gesucht wird.

Reisen wir weiter in den Norden in Richtung des Dreiländerecks Chile, Argentinien und Bolivien sehen wir eine erneute Anhäufung astronomischer Anlagen. Jetzt befinden wir uns am Fuß der Anden ganz in der Nähe des Touristenmekkas San Pedro de Atacama (manchmal auch schelmisch ‚San Perro‘ genannt aufgrund der vielen Hunde).

A.L.M.A. (Radioteleskopfeld auf dem Chajnantorplateau auf ca. 5.000m ü.N.N.) und TAO (das höchstgelegene optische Teleskop auf fast 5.500m ü.N.N.) sind die bekanntesten Anlagen. Hier befinden sich die weitläufigen Salares und die Lithiumabbaugebiete als auch Chuquicamata, eine der größten Kupferminen der Welt, einhergehend mit einem ökologischem Katastrophenszenario (der Río Loa ist weitesgehend verseucht und erreicht kaum noch den Pazifik und der Grundwasserspiegel in den Salares, gespeist durch noch nicht ausreichend erforschte Aquiferen und aus fossilem Grundwasser bestehend, sinkt Jahr für Jahr dramatisch).

Die OSF (im Quadrat) und das Radioteleskopfeld (gelb umkreist)

Sehen wir uns zum Abschluss den Großraum Santiago an, so finden wir auch dort kleinere private Anlagen. Südlich befinden sich z. B. Tagua Tagua, Yepun und Orión. Die Qualität der visuellen Beobachtungsergebnisse entzieht sich unseren Kenntnissen, weil wir sie nicht besuchten. Doch z. B. ein Blick vom größten Skyscraper Santiagos, dem höchsten Gebäude Südamerikas: Sky Costanera, schenkt uns einen guten Eindruck über den hohen Grad an Luft- und Lichtverschmutzung. Dieses wird auch durch einen Blick auf die Light Pollution Map schnell deutlich.

Den ersten Teil des chilenischen Sternentagebuchs widmen wir allerdings der ersten großen Hürde in der Astrofotografie auf der südlichen Hemisphäre (gerade auch bei Anfängern in dieser Disziplin, also Lutz und mir): dem Oktans (Sigma Oktantis oder auch Polaris Australis). Die ständig aufkeimende Frage lautet: Wo um Himmels Willen ist er?

Im Netz finden sich einige Tipps und ‚How to‘ Publikationen, doch wenn die Kamera auf dem Stativ steht, die Montierung sitzt und eingesüdet werden soll, geht das große Rätselraten los. Was in den Tutorials so leicht und logisch erscheint und auf den Abbildungen und Fotos deutlich erkennbar ist, wird durch die schiere Unmenge an Sternen fast unmöglich. Sehen wir uns Stellarium an, dann findet er sich schnell. Man nehme Rigil Kentaurus und Hadar und fälle das Lot (erster Schritt), dann gehe man zum Kreuz des Südens und ziehe von Gacrux zu Acrux eine gedachte Linie, verlängere sie ca 4,5mal (zweiter Schritt) und voilá: wir sind beim südlichen Himmelspol, ein Ort an dem uns gähnende Leere erwartet.

Besonders schwierig wird das Auffinden in gebirgigem Gelände, z. B. in Cancana im Valle del Elquí. Hier steht das Observatorium von Marcelo und Diego Berenguer. Im Juli, also im chilenischen Winter, konnten wir Rigil Kentaurus, Hadar und das Kreuz des Südens bereits am klaren Himmel sehen, obwohl es gerade erst anfing zu dämmern (ca. 18:30h). Gespannt warteten wir am ersten Abend auf die Dunkelwolken des Vicuña, des Kohlensacks und o. g. Konstellationen. Wir wussten genau , wo er zu finden ist. In etlichen Dokumentationen der ESO, aus der Reihe ‚Zwischen Himmel und Erde‘ von Serge Brunier hatten wir per Videostop den Oktans sofort identifiziert. Vier Sterne bilden ein Trapez (Er sieht aus, wie ein kleiner Topf). Der Abstand zwischen den Sternen in der oberen Öffnung ist ein wenig größer als zwischen den zwei Sternen des ‚Bodens‘. Der geöffnete ‚Topf‘ verläuft fast parallel zur Milchstraße. Der rechte Stern im Boden hat zwei kleine Begleitsterne und die drei bilden eine Linie. Hier sind wir im Reich des Polaris Australis.

Doch als die Dunkelheit einsetzte, war vor lauter Sternen nichts mehr zu erkennen. Die Strophe des Kinderliedes ‚Weißt du wieviel Sternlein stehen‘ macht dort einfach keinen Sinn mehr. Passender ist schon: ‚there‘s more stars than sky‘. In Ermangelung eines Fernglases wandten wir uns hilfesuchend an Diego, der uns seinen Cancanatrick für den Juli erläuterte: der Oktans steht oberhalb einer Kerbe in der Bergkuppe. Da sollten wir ihn suchen. Nun hat die Olympus OM-D E-M5 Mark II ein äußerst gutes live view. Wir setzten sie auf ein Stativ und sondierten die genannte Region, allerdings in einer unscharfen Fokussierung. Die Sterne waren ein wenig ‚geblurt‘. Und dann war das Trapez schemenhaft zu sehen. Lutz visierte die Stelle mit seinem grünen Laser an. Seine Lumix G9 saß bereits auf der Montierung (iOptron), die nun ausgerichtet werden konnte. Dasselbe Manöver führten wir für die Olympus durch.

Das Auffinden des Oktans in Cancana wurde dadurch erschwert, dass Cancana in einem Tal liegt und die Sicht auf die kleine magellanische Wolke (SMC) im Juli versperrt ist. Der Weg über die SMC ist unseres Erachtens deutlich einfacher. Sieht man sich die Region genauer an, befinden sich zwischen dem Kreuz des Südens und der kleinen magellanischen Wolke einige auffällige Sternengruppierungen. Von der SMC ausgehend ist Beta Hydrae (β Hydrae) recht unproblematisch zu erkennen (mit Blickrichtung zum Kreuz des Südens). Fast dieselbe Strecke weitergehend befinden sich Gamma Octantis 1, 2 und 3 (γ Oct). Dieselbe Strecke nochmals verlängert befindet sich Polaris Australis.

Selbstverständlich ist eine exakte Ausrichtung nicht immer erfolgreich, weil in dem o. g. Bereich auch ein wenig geschätzt werden muss, denn um Sigma Oktantis herum bzw der Bereich des südlichen Himmelspols ist eine Dunkelzone. Auf jeden Fall ist es hilfreich, wenn in dem Polsucher die Positionen der vier Sterne des Oktans (des Topfes) als Gravur markiert sind. Dann braucht der/die Oktanssuchende ‚nur‘, entsprechend Datum und Uhrzeit, diese Gravur in die richtige Position drehen, um dann wiederum die vier Sterne mit dieser Gravur in Deckung zu bringen. So kann man recht sicher sein, dass die Einsüdung wirklich klappt. Und wenn dann doch alles schiefgeht, hilft nur noch eins: Pisco Sour.

Fotos, fachwissenschaftliche Beratung und Redaktion: Lutz J. Dörpmund Konzeption, Durchführung und Auswertung des Interviews, Übersetzungen aus dem Spanischen und Englischen, Fotos: Karin Cornelia Dörpmund