Das chilenische Sternentagebuch – Diego und Marcelo Berenguer – Cancana

12. August 2022 by Karin

Ein Observatorium zu errichten, kann viele Gründe haben: Wir wollen Entdeckungen machen; Wir suchen Antworten auf Fragen nach dem Sinn der Existenz durch das Anhäufen wissenschaftlicher Erkenntnisse; Wir wollen verstehen, wie die kosmischen Phänomene zusammenhängen; Wir wollen unsere technische Expertise erweitern, um detailgenauere Bilder aufzunehmen oder vielleicht wollen wir auch inspirierende Fotos auf den Sensor bannen, die unsere Freude am Schönen befriedigen.

Die einfachste Erklärung hörte ich in Cochiguaz: ‚Das Universum ist doch schon da. Ich muss nichts weiter machen, als ein Teleskop installieren, lernen, es richtig zu bedienen, das Universum lesen lernen und kann damit für meine Familie den Lebensunterhalt verdienen. Es ist direkt hier über unseren Köpfen, ganz umsonst, wir brauchen es nur zu nutzen.

Werbeplakat – Foto: Lutz Dörpmund

Das Observatorium Cancana befindet sich in Cochiguaz, im Valle del Elquí (in deutschsprachigen Publikationen oft: Elquital), ca 110 km entfernt von La Serena, unweit der Observatorien CTIO (Cerro Tololo Inter-American Observatory), Gemini Sur, SOAR (Southern Astrophysical Research) und bald LSST (The Large Synoptic Survey Telescope), am ‚Camino Único‘, dem ‚einzigen Weg‘.Das Valle del Elquí wird auf chilenischen Touristikseiten als ein ‚Planet für sich‘2 bezeichnet, weil es viele Aspekte vereint. Zum einen gehört das Andenken an die chilenische Nobelpreisträgerin für Literatur Gabriela Mistral3 dazu. Auch ist es durch eine blühende Landwirtschaft, vor allem Obst und Gemüse, aber auch den Weinanbau, und dabei muss natürlich der berühmte Pisco genannt werden, geprägt. Auf nationaler Ebene kennen viele Chilenen das Valle del Elquí als einen Ort, an dem verschiedene alternative Heilverfahren, Yoga und Meditationspraktiken Anwendung finden und selbstverständlich ist diese Region für seinen spektakulären Sternenhimmel, seine vielen wolkenlosen Nächte bekannt, die ideal für die astronomische Observation sind. Nicht ohne Grund befindet sich in dieser Region das Epizentrum der chilenischen Astronomie4 und wird als ‚Ruta de las Estrellas‘, die Sternenroute, bezeichnet. Hier befindet sich auch das erste, im Jahr 2015 ernannte, Gabriela Mistral Dark Sky Sanctuary.5 Nicht nur die o. g. Observatorien befinden sich dort, sondern auch Mamalluca (Gemeinde Vicuña, 1998 eröffnet) und mehrere private Einrichtungen mit Hotelanlagen.

Die Sternenroute – Foto: Lutz Dörpmund

Cancana besticht durch einen ganz besonderen Charme. Das Observatorium gehört zum Refugio El Alma Zen und wird von Marcelo Berenguer und seinem Sohn Diego und Familie geführt.

Marcelo, Pakal, Lutz, Trini, Diego und Claudia – Foto: Karin Dörpmund
El Alma Zen – Foto: Lutz Dörpmund

Die gesamte Anlage bietet eine erstaunliche Kulisse. Das Valle del Elquí und besonders das El Alma Zen haben einen buddhistischen, hinduistischen und andinen Charakter, verbunden mit Ökotourismus. Marcelo verbrachte mehrere Jahre in China und Indien, besonders in Dharamsala. Er kam als dem Tode geweihter Mann nach Cochiguaz, dem die Ärzte nur noch eine Lebenserwartung von drei Monaten verhießen, und er erfuhr hier Heilung. Spiritualität ist in jedem Winkel spürbar. Außerdem besuchte der Dalai Lama Cochiguaz und mit einer Lichtzeremonie segnete er den Río Cochiguaz, der seitdem den Namen El Río Mágico trägt und als der Bruder des Ganges gilt.

Die Antipoden – Foto: Lutz Dörpmund

Das Valle del Elquí und Lhasa in Tibet liegen beide auf dem 30. geographischen Breitengrad, jeweils nördlich bzw südlich, ein Breitengrad auf dem sich oft spirituelle Zentren befinden sollen. Der Himalaya und der Cerro Cancana sind somit geographische Antipoden.

Südlich von Cancana ist seit 2016 ein buddhistisches Zentrum im Entstehen, das Centro de Estudio y Meditación Budista Mahayana Otzer Ling. 6 Die Stupa ist bereits errichtet und kann zur Meditation besucht werden, aber auch zur Astrofotografie ließen uns Andrés und Isaías, zwei buddhistische Mönche, bis tief in die Nacht verweilen, nicht ohne uns und die Displays der Lumix G9 und der Olympus wissbegierig zu beobachten und Fragen nach dem Leben und Sterben der Sterne, der Größe des Universums, der Entfernungen zwischen Planeten, Sonnen u.v.m. zu stellen und nach OVNIs (objeto volante no identificado, also UFOs).

Die Stupa, das Kreuz des Südens und der Carina-Nebel – Foto: Lutz Dörpmund

Um den Berg Cancana ranken sich viele Mythen. Eine der kursierenden Geschichten berichtet von tibetischen buddhistischen Mönchen, die in den Berg Cancana eindrangen und von Außerirdischen entführt wurden. Eine andere besagt, dass Anhänger des Ramakultes auf dem Berg auf die Ankunft der Aliens warteten, die sie allerdings nicht abholten. Der Cerro Cancana lockt aufgrund seiner hohen elektromagnetischen Energie Aliens an, deren Sternenschiffe in unterschiedlichsten Formen gesichtet wurden7, denn er beherbergt ein Portal, dass die Dimensionen verbinden soll. Der Berg enthält Magnetit, Eisen, Gold und erstaunlich viel Quarz, mit dem z. B. Teile des vorhandenen Swimming-pools ausgelegt wurden und große Brocken überall auf dem Gelände als Dekoration dienen.

Foto: Lutz Dörpmund

Aber es gibt noch mehr Erstaunliches: Laut Marcelo haben die Astronauten der NASA auf ihrem Flug zum Mond im Jahr 1969 an diesem Ort eine besonders hohe Konzentration elektromagnetischer Energie/Strahlung gemessen. Vom Mond aus, so berichtete er Lutz und mir, machten sie Fotos mit verschiedenen Filtern und auf mehreren dieser Fotos erschien Cochiguaz als leuchtender Punkt. Es handelt sich um ‚elektromagnetische Energie‘ (megas de unidades electromagnéticas, Originalausdruck: Marcelo), die 1.500 ‚Einheiten‘ betragen soll. Die ägyptischen Pyramiden haben nur 650, die Halbinsel Yucatán hat 700 und das Bermudadreieck 800. Es handelt sich also um die höchste auf der Erde gemessene Konzentration in Cancana. Er sprach in diesem Zusammenhang von β-Strahlung und ɣ-Strahlung. Auch erzählte uns Marcelo, dass die NASA in den 1970er Jahren Astronauten und Ingenieure nach Chile schickte, um Messungen vor Ort vorzunehmen. Auch gab es Anstrengungen seitens der NASA das gesamte Valle del Elquí aufzukaufen. Als Reaktion der einheimischen Bevölkerung wurde die Kooperative Capel gegründet, um den Landkauf zu verhindern.

Werbeplakat in Pisco – der erste Kontakt gehört ins Programm – Foto: Lutz Dörpmund

Wir mögen das Gesagte glauben oder als esoterischen Unsinn abtun, der nach allen wissenschaftlichen Kriterien und Erkenntnissen den aufgeklärten Geist, dessen wir uns rühmen, nicht überzeugt oder nicht verleiten sollte, zu glauben. Doch des nachts mit meiner Olympus auf den Oktans eingesüdet und Langzeitbelichtungen oder mit Live Composite StarTrail-Fotos kreierend, konnte ich nicht den Blick von der Milchstraße wenden, ohne sie nicht auch nach ungewöhnlichen Formen und Farben mit uncharakteristischen Bewegungen zu betrachten. Lokalkolorit, der die Astrofotografie von ihrer rein technischen Dominanz entlastet und ihr eine epische Nuance verleiht. Und wenn dann noch Milliarden von Sternen in einer Neumondnacht funkeln, heißt es: ‚There’s more stars than sky.‘ und wir schauen verträumt auf die Sternenpracht.

Die Stupa mit der Milchstraße und aufkommender Bewölkung – Foto: Karin Dörpmund

2016 war Cancana unsere erste Station auf der Sternenroute, als Ausgangspunkt für unseren Besuch des Cerro Tololo. Hier erlebte ich das erste Mal in meinem Leben das Wunder Milchstraße als glitzerndes Band und eine vorher noch nie gesehene Anzahl an Sternen. Dieser Anblick ergreift wohl jeden Menschen. Lutz und ich fanden in Diego, Claudia, den Kindern Pakal und Trinidad Amanda und Diegos Vater Marcelo derart nette Gastgeber, dass es keine Frage war, sie um ein Interview zu bitten, auch aus dem Interesse heraus, Astronomie von der Seite ausgebildeter Amateurastronomen (guía oder aficionado de astronomía) zu betrachten. Diegos Startours faszinieren nicht nur durch seine Sachkenntnis und sein Talent, den Menschen kosmische Zusammenhänge nachvollziehbar und unterhaltsam zu unterbreiten, sondern auch, dass er als Chilene o. g. Lokalkolorit vermitteln kann, auch mit einem Hauch des ‚real maravilloso‘8 der lateinamerikanischen Literatur.

Das Interview entstand an einem Nachmittag im Restaurant, das im chilenischen Winter fast nie aufgesucht wird, genauso wie die gesamte Anlage einen Dornröschenschlaf zu halten scheint, und somit Treffpunkt und Spielwiese der beiden Kinder, Freunde und Nachbarn ist – und entsprechend laut.

Lutz, Pakal und Diego – Foto: Karin Dörpmund

Hier nun das Interview:

Das Restaurant – Foto: Lutz Dörpmund

Viele Menschen begeistern sich für Science Fiction, wie z. B. Star Trek. Andere lasen die Bücher von Carl Sagan und sahen COSMOS. Sag uns bitte, Diego, warum du Astronomie studiertest?

Diego: Zu allererst, weil wir hier diesen Himmel haben. Ich begann nach oben zu sehen und Fragen zu stellen: Was ist das da? und jenes? Ich sah auch die Dokus und Star Trek und die Serie ‘Cosmos’, die mir wirklich sehr gefällt. Ich habe die komplette Serie. Ja, es ist einfach. Wie kann es sein, hier nicht nach oben zu sehen? Diesen Himmel, diese Sterne, unmöglich, es nicht zu sehen.

Welcher Planet fasziniert dich am meisten? Welche Galaxie favorisierst du?

Diego: Der Saturn wegen seiner Ringe, er ist wunderschön anzusehen; der Herr der Ringe. Er ist der Interessanteste, den man gut sehen kann. Alle Planeten sind faszinierend, aber Jupiter und Saturn können wir gut sehen. Wenn ich den Leuten den Saturn zeige, können sie sich dieses astronomische Phänomen über ihren Köpfen mit seiner charakteristischen Form gut vorstellen. Sie glauben oft nicht, dass er genauso ausieht, wie sie ihn sich vorgestellt haben. Neptun ist nur ein Punkt, nur ein Punkt, auch durch das Teleskop. Blau ist er, weil auf ihm Methan ist. Eine Galaxie? Ich denke, dass ist die Sombrerogalaxie, M 104.

Marcelo: Mir gefällt der Saturn auch am besten, aber wenn ich den Jupiter mit seinen Monden sehe, mit seinen drei, vier Punkten, das ist wunderschön. Diese Balance zwischen dem Planeten und den Monden, und erst recht die Venus, die Leuchtende, die immer in der ersten Reihe ist. Und eine Galaxie? …. Für mich ist es die Milchstraße, was denn sonst? Unser Zuhause.

Wurdest du hier geboren, Diego?

Diego: Nein, in Santiago. Aber je öfter ich hierher kam, desto mehr wurde ich in den Bann gezogen. Zuerst kam mein Vater hierher. Er baute das Observatorium. Das war vor 15 Jahren. Dann kam auch ich, um das Projekt mit ihm zusammen abzuschließen, denn das Observatorium funktionierte nicht sofort. Als ich dann hier lebte, kümmerte ich mich darum, lernte Astronomie. Du musst schließlich den Himmel kennen, wenn du ihn Anderen erklären willst. Es verging noch ein Jahr, bevor wir für das Publikum öffneten. Das war in 2007. Davor arbeitete ich zuerst in Mamalluca, hatte dort eine Anstellung, auch um zu lernen. Außerdem hatte ich ein Stipendium erhalten und belegte einen Kurs in Astronomie an der Universität in La Serena und erwarb ein Diplom.

Dein Interesse an der Astronomie begann also nicht in der Schule, es war kein Schulfach.

Diego: Nein, nein, das Interesse an der Astronomie ist eher ein neues Phänomen. Früher gab es wenig Interesse an der Astronomie in der Bevölkerung. Es waren eher Grundkenntnisse. 

Wie alt warst du, als du zum ersten Mal durch ein Teleskop sahst?

Diego: Oh, da war ich noch sehr klein. – Aber als ich hier in Cochiguaz ankam, sah ich Guías, die hatten noch gar keine astronomische Ausrüstung. Die zeigten den Gästen die Sterne noch mit einer Taschenlampe. An einen Laser heran zu kommen, war unmöglich; viel zu teuer, sehr schwierig. Heute kannst du sie überall kaufen.

In Deutschland ist der Einsatz von Lasern in vielen Bereichen untersagt, um den Flugverkehr nicht zu gefährden. Wie wird das in Chile gehandhabt?

Diego: Ein Verbot gibt es nicht. Es ist ganz schön kompliziert in Deutschland, oder?

Diego, sag uns bitte, wo du Astronomie studiertest. Wie gestaltet sich dieser Ausbildungsgang? Gibt es in Chile eine Art ‘Teleskopführerschein’?

Diego: Ich studierte Astronomie in La Serena, um an einem großen Observatorium zu arbeiten. Es gibt Leute, die sich damit begnügen, ein Teleskop zu bedienen. Dafür brauchst du keinen Führerschein. Du musst nur ein Wissen über den Himmel haben. Das ist es nicht, was sie dir an der Universität vermitteln. Du musst jeden Tag die Konstellationen überwachen, um sie gut zu kennen. Heute gibt es dafür Computer, aber du musst auch wissen, wie du mit einem Rechner für ein Teleskop umgehst. Es gibt Astronomen, die zu uns kommen, um durch unser Teleskop zu sehen. Die Astronomen wissen sehr viel, aber sie können nicht den ganzen Tag den Himmel so beobachten wie wir. Deshalb kommen einige zu uns, und bitten uns, diese oder jene Region beobachten zu dürfen, d. h. Astronomen machen nur Untersuchungen von nur einigen eng begrenzten Gebieten.

Ich bediene hier in unserem Sektor keine Großteleskope, aber ich weiß, dass es dafür Tests gibt. Ich habe ein Diplom in Astronomie von der Universität in La Serena. Dafür studierte 1 ½ Jahre und ich machte Kurse in Astronomie, einen in Mamalluca und auch einen Kurs, der sich Achaya9 nennt. Das ist die ‘Asociación Chilena de Astronomía y Astronáutica’, kurz: ACHAYA. Das ist eine Vereinigung, die in Santiago ihren Hauptsitz hat. Du kannst mich also als einen Astronomiebegeisterten bezeichnen; Ich bin so gesehen kein Astronom. Ich sehe mich selbst als einen Vermittler der Astronomie. Den Menschen, die zu mir ins Observatorium kommen, vermittle ich, was ich über die Astronomie weiß; so, wie z. B. gestern Abend. Sie kommen hierher, weil sie zu den wissenschaftlichen Observatorien nachts keinen Zutritt haben. Dorthin dürfen nur Astronomen, sie erhalten keine Genehmigung. Das ist wie in einem OP. Dort dürfen auch nur Ärzte hinein und einer OP am offenen Herzen beiwohnen. Nachts dürfen dort nur Astronomen arbeiten. Es gibt Besuchszeiten, aber nur am Tag. Dann kann man sich die Installationen ansehen, aber nicht die Teleskope arbeiten sehen. Dann sehen die Menschen natürlich keine Sterne, sondern nur etwas auf den Monitoren. Die Astronomen selbst sehen auch nur das, was auf ihren Monitoren geschieht, aber nicht mehr am Sternenhimmel.

Du sagtest, dass Astronomen hierher kommen, um die Sterne zu sehen?

Diego: Aber Ja, und dann sagen viele: ‘Jetzt erinnere ich mich, was es war, was ich da draußen so sehr mochte.’

Sie analysieren ständig das Licht und arbeiten an Computern, nur an Computern. Sie analysieren Datensätze. Manche kommen hierher und sammeln Daten, um sie dann zum Observatorium mitzunehmen und z. B. nach Deutschland zu übermitteln oder sonst wohin, um die Daten auszuwerten. Manche dort, auch bei euch, haben noch nie die Objekte mit eigenen Augen gesehen.

Kann letztendlich jede/r, der ein Grundstück besitzt auch eine Astrofarm oder ein Observatorium errichten, um damit der Öffentlichkeit das Universum näher zu bringen und schließlich auch Geld zu verdienen?

Diego: Ja. Das kann jeder hier machen. Es gibt keine Auflagen.

Das Observatorium Cancana – Foto: Lutz Dörpmund
Diego in action – Foto: Claudia Berenguer

In welchem Jahr wurde das Observatorium gegründet? Wie ist es aufgebaut?

Diego: Mein Vater begann vor einigen Jahren, aber wir begannen mit den StarTours in 2007. Wir machen das jetzt also seit elf Jahren. Der Bau des Observatoriums dauerte ca fünf Jahre. Dazu gehörte auch, dass wir eine Straße brauchten. Hier war alles steinig. Wir mussten das gesamte Material hierher bringen. Das war alles Handarbeit.

Marcelo: Wir hatten damals so einen ganz kleinen LKW, mit dem wir alles mühsam über diesen steinigen Weg herschleppten. Ich wusste nicht, wie man ein Observatorium baut. Ich musste das alles lernen. Ein Observatorium ist kein sonst übliches Bauwerk. Es hat eine Basis, die nur aus Fels besteht. Der Abhang musste zuerst geebnet werden. Das waren viele Bohrungen, alles ist aus Stein hier, bis wir die Basis fertig gestellt hatten. Da fielen schon einige Tonnen an Felsgestein an. Darauf bauten wir die verbindende Zentralachse, die durch das gesamte Gebäude geht, bis rauf zum Teleskop. Das Gebäude hat zwei Stockwerke, also zwei Bodenplatten, aber die Achse berührt sie nicht, weil sie durch eine Röhre geführt ist, mit einem Abstand von zwei Zentimetern. Im Beton der unteren Bodenplatte wurde unter der Röhre ein Gummi appliziert. Dadurch wird sie erdbebensicher.10 Die Achse führt also durch die Decken der zwei Bodenplatten bis zum Teleskop. Wenn die Röhre bei Erdbewegungen vibrierte, würde das Teleskop sich vielleicht nur um Millimeter bewegen und das Objekt, das gerade im Fokus ist, verlieren. Es handelt sich hier um Lichtjahre, versteht sich. Das mussten wir alles selber herausbekommen. Es gab keine Bauanleitung für ein Observatorium. Hier hatte noch niemand eines gebaut, schon gar nicht ein privates.

Diego: Wir sind ja auch keine Astronomen.

Cerro Tololo – Foto: Karin Dörpmund

Wer hat euch beim Bau unterstützt?

Marcelo: Ich hatte das Glück, hier im Restaurant einen Astronomen vom Tololo kennen zu lernen. Das war ein cleverer Typ. Er kam zweimal pro Jahr hierher, um die Spiegel zu warten, d. h. sie zu reinigen. Eines Tages aß er hier zu Mittag und er trug das Logo vom Tololo auf seinem Hemd. Ich sagte ihm, dass ich hier ein Observatorium baue und ein Teleskop aufstellen will. Ihm gefiel die Idee. Er sprach nur Englisch, aber seine Frau sprach Castellano. Ihn faszinierte die Idee und ich fragte ihn, ob er mir helfen könne, das beste Teleskop, das ich für touristische Zwecke einsetzen kann, zu bekommen. Als er wieder hierher kam, brachte er uns das Teleskop mit, mit Montierung und allem. Er bezahlte es. Astronomen konnten einen Rabatt erhalten und im Rahmen ihrer Tätigkeit auch besser an Gelder herankommen. Gregory Gorman ist sozusagen mein Mäzen. Es war für mich wie ein Lottogewinn. All die Dollars, die hier investiert wurden. Zwischen uns hat sich in all den Jahren eine schöne Freundschaft entwickelt. Eines Tages sagte er, dass er mit vier Kollegen vom Tololo und deren Familienangehörigen kommen würde. Wir hatten hier ein nettes Beisammensein und natürlich wollten sie sehen, wie das Teleskop arbeitet. Sie waren sehr ergriffen von der Schönheit, denn sie hatten noch nie die Sterne so gesehen, die Diamanten am Himmel.

Diego: Am Anfang gab es allerdings auch einige Dramen. Meinen Vater kostete es neun Jahre, um das Patent für das Observatorium zu erhalten. Die Bürgermeisterin in Paihuano wollte verhindern, das wir eines vor jemandem, den sie kannte, errichten. Deshalb bekam er keine Erlaubnis. Das waren Scharmützel und ihre ökonomischen Interessen. Die wollten unbedingt zuerst eines haben. 

Um was für ein Teleskop handelt es sich? Kannst du uns bitte einige technische Daten nennen?

Diego: Es ist ein amerikanisches Telekop. Das Teleskop in der Kuppel ist ein 14″ Meade LX200, es ist GPS-gesteuert. Ein weiteres Teleskop, auch ein Meade, befindet sich unter einem verschiebbaren Dach. Es sind katadioptrische Systeme, d. h. es werden Spiegel als auch Linsen verwendet. Das zweite Teleskop brauchen wir nur in der Hauptsaison, wenn wir hier viele Gäste haben. Also wenn wir z. B. pro Nacht vierzig Gäste haben, dann gehen jeweils zwanzig an ein Teleskop. Dann zeigen wir auf der Terrasse, auf einer Leinwand, kurze Filme zu astronomischen Themen und erklären einfache Zusammenhänge. Wir machen Astronomie für ganz normale Leute. Im Winter haben wir den Multimediaraum. Dann erkläre ich auch den Himmel über Stellarium.

Was erzählst du deinen Gästen auf einer StarTour?

Diego: Also, ich erzähle Dinge wie: das Observatorium heißt Cancana, weil der Berg dort so heißt. Er ist ca 3.300 m hoch. In der Sprache der ersten Bewohner hier, die Diaguitas, hieß er Cancan (die Schreibweise ist ungeklärt: Khankhan ist auch möglich, Anm. d. Verf.), der Altar. Dann sehen wir uns zusammen den Reichtum des Himmels an. Oftmals sehen wir Satelliten oder Flugzeuge und ich erkläre den Unterschied. Sie können dann erst einmal Fragen stellen: Was ist das Dunkle dort? Wie heißt der Stern dort? Ich zeige ihnen einiges mit dem Laser. Ich zeige ihnen, wo das Zentrum der Milchstraße ist, das wir nur einen Arm der Milchstraße sehen. Sie selbst ist eine Scheibe und wir sehen sie nur von der Seite. Und dass es dort ein supermassives schwarzes Loch gibt. Wichtig ist das Kreuz des Südens, damit sie sich am Sternenhimmel orientieren können, denn das ist bei all den Sternen nicht leicht.

Marcelo: Du erzählst ihnen aber auch, wie die indigene Bevölkerung den Sternenhimmel sah.

Indigenes – Foto: Lutz Dörpmund

Diego: Genau, wie die Regionen auf Quechua heißen, denn die Inka bewohnten große Teile von Chile und Peru bis nach Santiago. Sie hatten eine andere Art, den Kosmos zu beschreiben. Vor den Inka lebten hier in diesem Tal bereits die Diaguita, die von den Inka unterworfen wurden. Wir sehen hier am Himmel Dunkelwolken, z. B. im Arm des Orion, oder im Scutum-Centaurus zeige ich den Gästen La Yakana, das schwarze Llama, auch Guanako oder Alpaca. Alpha Centauri und auch Beta Centauri sind die Sterne im Kopf des Tieres. Es hat einen langen Hals, du siehst die Beine und den Bauch. Eine andere Form in der Dunkelwolke ist Machawei, die Schlange. Ihr Kopf ist rechts neben dem Kreuz des Südens und im dunklen Zentrum des Kreuz des Südens lebte ihr Gott Viracocha. In ihrer Vorstellung lebte er zwischen den vier Sternen.

Marcelo: Sie sahen auch eine kleine Herde von Llamas und einen Kohlensack. Sie orientierten sich an den Dunkelwolken, nicht an dem Licht der Sterne, sondern an den dunklen Figuren des Himmels.

Diego: Jedes Volk hat seine eigene Vision des Kosmos. Die Mapuche, weiter im Süden, sehen andere Sachen. Da, wo z. B. der Kohlensack ist und das Kreuz des Südens sehen sie das Nest eines Suri. Er sieht aus wie ein Strauß. Sie dachten, dass das Licht der Milchstraße ein Fluß sei, auf Quechua heißt er auch Mayú, und der Strauß rannte und sprang über den Fluß und das Kreuz des Südens stellt den Fußabdruck des Straußes dar. Natürlich erkläre ich ihnen die Konstellationen als eine Zeichnung, die sich jemand ausdachte, indem er Sterne mit einer Linie verband. Das leichteste, das wir erkennen, ist das Kreuz des Südens. Die Sterne werden nach ihrer Leuchtkraft klassifiziert und sie werden mit griechischen Buchstaben bezeichnet: also Alfa, Beta und Gamma Crucis sind leicht beobachtbare Doppelsterne, dann sind dort Delta und Epsilon. Es gibt 88 solcher Zeichnungen und der gesamte Himmel ist in Konstellationen unterteilt. Den südlichen Himmelspol zeige ich ihnen und wie man ihn vom Kreuz des Südens aus finden kann. Ich sehe oft erstaunte Gesichter, wenn ich den Menschen erkläre, dass sich nicht der Himmel dreht, sondern die Erde um die eigene Achse. Nun? Was erzähle ich ihnen noch? Die Grundlagen, wie: die Ekliptik, unsere Planeten im Sonnensystem, die chemischen Grundbausteine, welche Rolle die Supernovae spielen, du weißt schon, Fusionsprozesse bis zur Bildung von Eisen, die dann zur Sternenexplosion führen, zur Supernova und dass …

… dass wir Sternenstaub sind?

Diego: (schallendes Lachen) Ja, … dass wir Sternenstaub sind. Alle Elemente kommen aus den Supernovae, unseren wichtigsten Vorfahren, sozusagen unsere wahren Mütter. Mir fiel auf meinen Sternentouren auf, dass immer wieder die Angst vor den Auswirkungen einer Supernova aufkommt. Ich verweise immer auf die Entfernungen. Zwar wird von Antares und Arcturus angenommen, dass sie zur Supernova zu werden, aber sie sind einfach sehr weit weg. Auch der Tod unserer eigenen Sonne erkläre ich, dass sie ein funkelnder Diamant sein wird. Das erstaunt. Es ist schon faszinierend. Aber es werden auch irdische Fragen gestellt, z. B. nach der ESO in Chile. Wie viele chilenische Astronomen bei der ESO arbeiten, also wie die ESO Chilenen einbindet, weil es ja unser Land ist. So etwas wollen sie auch wissen.

Und dann? Wie geht die StarTour weiter?

Diego: Wir bleiben also ca. eine halbe Stunde draußen. Anschließend gehen wir in den Multimediaraum unterhalb der Teleskop-Plattform und ich zeige ihnen kurze Filme und den aktuellen Himmel auf Stellarium, also, das, was wir draußen sahen. Die meisten sind von den Größenunterschieden der Sonnen total begeistert. Ich schaue, was sie interessiert, und zeige aus meinem Repertoire Entsprechendes. Im Sommer bleiben wir auf der Terrasse. Ich habe eine Leinwand installiert, auf der ich dann die Filme projiziere. Danach gehen wir hinauf zum Teleskop. Ich zeige den Gästen Planeten, sehr gern den Saturn, weil die Menschen ihn kennen, aber auch den Carina-Nebel und Herschels Schmuckkästchen (auf Spanisch: el joyero – ein Zungenbrecher für den deutschsprachigen Gaumen und Zunge; Herschels Schmuckkästchen ist dagegen ein Zungenbrecher für die chilenische Zunge, Anm. d. Verf.) oder Omega Centauri, je nach Jahreszeit. Wenn ich zu Alpha Centauri komme, unserer Sonne mit nur 4,3 Lichtjahren am nächsten, und erkläre, dass dort ein erdähnlicher Planet gefunden wurde, kommen natürlich sofort Fragen nach außerirdischem Leben und ob wir dort hinreisen können. Und auch Zeit ist für viele ein Phänomen, immer der Blick in die Vergangenheit und wie unendlich weit entfernt die Sterne sind, also allein über 40 Billionen Kilometer bis Alpha Centauri, und mindestens wohl 40.000 Jahre Flugzeit.

Gibt es im Valle del Elquí Programme für den Astrotourismus?

Diego: Bei uns gibt es keine Programme. Wir machen hauptsächlich die AstroTouren. Wir haben hier die Cabañas und ein Angebot an alternativen Heilverfahren. Unsere Gäste können sich ihr Programm selbst zusammenstellen, d. h. die Länge des Aufenthalts, die Art der Anwendungen, also Massagen, Reiki, Akupunktur oder Energierituale, und natürlich die Sternenbeobachtung. Wir bieten auch unseren Ökopark an, in dem Kinder Pflanzen und ihre charakteristischen Eigenschaften kennen lernen können. Seit 2015 gibt es in unserer Region außerdem das Gabriela Mistral Dark Sky Sanctuary und es wurde die Sternenroute ins Leben gerufen, um diesen touristischen Sektor zu stärken, und um mit der Region Antofagasta mithalten zu können, denn dort stehen die Großteleskope (der ESO, Anm. d. Verf.). 

Marcelo: Es ist folgendermaßen: Coquimbo und La Serena warben bis dahin eigentlich nur mit ihren Stränden und dem Meer. Dann wurde man sich des Astrotourismus bewusst und der Bürgermeister entwickelte den Plan, diesen Tourismuszweig hinzu zu nehmen. Warum nur den Strand und das Meer anpreisen? Nehmen wir doch die Sterne dazu.

Die Astronomie ist aber nur ein Pfeiler in der chilenischen Wirtschaft, also hier im Raum Coquimbo … .

Diego: Aber … er wird immer stärker.

Das ist aber nur möglich, solange es einen sternenklaren, dunklen  Himmel gibt. Nach der Light Pollution Map scheint es hier ein Ort zu sein, der nur wenig Lichtverschmutzung erfährt, obwohl sie auch hier zunimmt, denn es kommen immer mehr Menschen hierher, um hier zu leben.

Marcelo:  Ja, das stimmt, aber es hängt auch davon ab, wann der Grad der Dunkelheit gemessen wird. Es wurden aber auch Schritte unternommen, Entscheidungen getroffen. Mit der Nutzung der Elektrizität hat es zugenommen, aber es gibt bei uns einen Leitfaden, von dem ich denke, dass er der einzige in Chile ist, also Verbote. Du darfst z. B. keine beleuchteten Schilder für die Werbung installieren, sollst keine öffentlichen Plätze beleuchten, dein Vorgarten darf nicht beleuchtet sein, usw.

Zeitungsartikel – Foto: Lutz Dörpmund

Die OPCC [Oficina de Protección de Calidad de los Cielos – Büro zum Schutz der Himmelsqualität, Anm. d. Verf.], verkündet, dass die Gemeinden ihre Lichtnutzung reduzieren sollen, aber jedes Jahr leben hier mehr Menschen, die nicht auf ein Leben, wie sie es aus den Städten kennen, verzichten wollen. Wie kann man die Qualität des noch wenig lichtverschmutzten Himmels schützen und gleichzeitig die Ansprüche der Gäste ggf. sogar senken? Ist dann das Gabriela Mistral Dark Sky Sanctuary eine praktikable Idee?

Diego: Das ist eine sehr schwierig zu beantwortende Frage. – Es gibt nicht mehr viele Orte, die keine Lichtverschmutzung aufweisen. Die Menschen, die Astrofotografie oder Astronomie machen, müssen aus den Ortschaften rausgehen, um wirklich dunkle Orte zu finden. Cochiguaz ist der einzige Ort, in dem wir, die Bewohner, die hier leben, im Gemeinderat den Beschluss gefasst haben, dass wir keine öffentliche, nächtliche Beleuchtung haben wollen. Deswegen haben wir noch einen dunklen Sternenhimmel. Aber es gibt natürlich viele, die sich nicht darum kümmern und denen es egal ist, ob sie Areale mit Licht verschmutzen.

Wir sprachen mit Dr. Malcolm Smith, der das Gabriela Mistral Dark Sky Sanctuary mit ins Leben rief.

Diego: Ja, Tololo wurde in den 60ern errichtet und auf dem Cerro Tololo war es früher sehr dunkel. Natürlich hat Tololo jetzt dieselben Probleme, denn La Serena wächst und nutzt mehr Licht und sie verschmutzen den Himmel, und auch Vicuña verschmutzt den Himmel.

Auf der Website des CTIO wird der dunkle Nachthimmel als eine natürliche Resource für den Ökotourismus und die professionellen Observatorien beschrieben. Gleichzeitig ist der Bergbau ein extrem wichtiger Pfeiler der chilenischen Wirtschaft. Die kanadische Firma Teck z. B. betreibt eine Mine nahe des Observatoriums Collowara und …..

Diego: Ja, sie zerstören so viel.

… und die Auswirkungen sind deutlich zu sehen. Wie könnte der Zerstörung Einhalt geboten werden?

Die Kupfermine der kanadischen Firma Teck – Foto: Lutz Dörpmund

Diego [Es fiel ihm sichtlich schwer, die richtigen Worte zu finden.]:

Alles dreht sich in Richtung der wirtschaftlichen Interessen. Unglücklicherweise gibt es in unserem Land keine effizienten Politiker. Sie vertreten die Interessen der Kanadier. Sie selbst verfügten eigene Vorschriften gegen den Bergbau, als sie Probleme mit der Umweltverschmutzung hatten, denn durch den Bergbau schmelzen die Gletscher ab und sie kümmern sich nicht um den Himmel als Weltkulturerbe. In ihrem Land sagen sie sicherlich, dass sie es tun, aber was los ist: sie kommen hier her, die großen Bergbaufirmen. Es sind ausländische Firmen, z. B. aus den USA, Kanada und auch aus Europa. Die Gesetzgebung hier ist fehlgeschlagen, denn es gibt natürlich Politiker, die davon profitieren und sich bereichern. In diese Richtung läuft es. So sieht das leider aus.

In dem Online-Magazin ‘elobservatodo’11 fand ich einen Artikel, dessen Titel ‚Inquietud en el Valle de Elqui por proyectos mineros que dañarían la actividad turística y de los observatorios’12 Schlimmes für das Valle del Elquí prognostiziert, denn hier wird schon fast eine Kriegsrhetorik mit Worten wie ‚en pie de guerra‘ (auf Kriegsfuß, Anm. d. Verf.) bedient. Nun hat die australische Firma Hampton Mining vor, 12.000 Hektar nahe Vicuña zu erschließen und auszubeuten. Wie sehr betrifft es die Astronomie hier vor Ort, z. B. auch Mamalluca?

Diego: Ja, Mamalluca hat schon ein großes Problem, weil es nah an Vicuña ist. Ich arbeitete dort und der Himmel ist ziemlich lichtverschmutzt. Aber es bedient immer noch 80% des astronomischen Tourismus. Natürlich kann man noch etwas sehen, aber es wird immer schwieriger.

Wie ist die Haltung der Menschen hier? Bitte erkläre es unseren Lesern, damit wir deine Sichtweise verstehen lernen.

Marcelo: Natürlich will das keiner so.

Diego: Wir müssen sehr viel mehr Bewusstsein entwickeln. Die Gemeinden beginnen zwar, andere Lichtquellen zu nutzen, aber es fehlen oft die Kenntnisse. Ich war z. B. auf dem Hauptplatz in Paihuano, wo bessere Beleuchtungskörper eingeführt wurden, also z. B. nach unten gerichtete. Aber anstatt der fünf Beleuchtungskörper installierten sie dreißig. Letztendlich hatten sie wieder die Lichtverschmutzung wie vorher. Es fehlt einfach das Wissen.

Marcelo: Ich denke, dass viele Menschen hier das nicht verstehen oder sich nicht für den Reichtum, den sie durch den Himmel haben, interessieren. Sie wollen ihren Profit. Wenn du jemandem in Paihuano sagst, dass fünf Leuchten für den Platz ausreichend sind, anstatt dreißig, dann sagt er dir, dass es ihm scheißegal ist: Gleichgültigkeit. Der Bergbau und die chilenische Gesetzgebung sagen, dass keiner deine unternehmerischen Aktivitäten unterbinden kann. So sieht das aus.

Wie siehst du die Zukunft für den Astrotourismus und die Astronomie hier?

Marcelo: Irgendwie gibt es immer eine Zukunft.

Diego: Es gibt immer mehr Bewusstsein und mehr Körperschaften in Chile, die verstehen, dass der Himmel unser Erbe ist, unser Vermögen darstellt, ein Kulturerbe ist, wie z. B. der chilenische Pisco oder die Literaturnobelpreisträgerin Gabriela Mistral. Und jetzt fügen wir eben noch den Himmel hinzu. Auch aufgrund der Tatsache, dass Großteleskopanlagen installiert werden. Die Menschen begreifen, dass es wenige Orte mit dieser Himmelsqualität gibt und wir werden uns in unserer Gemeinde darum kümmern und ihn beschützen. Schritt für Schritt werden wir daran arbeiten, dass sie nicht diese überflüssige Beleuchtung einsetzen. Hier in Cochiguaz haben wir kaum eine Außenbeleuchtung am Haus, nur eine kleine Leuchte, sehr, sehr wenig Licht.

Hier in Cochiguaz bin ich ein astronomischer Pionier und ich werde es weiterführen. Für mich ist es ein Auftrag, den ich habe, dass die Menschen lernen. Wenn sie z. B. zum Reiten herkommen oder zur Meditation, zeige ich ihnen auch den Himmel mit einem Laser. Kinder aus unserer Umgebung, die hierher kommen, dürfen das Observatorium kostenfrei besuchen. Sie lernen es kennen und das Interesse wird geschürt. Sie wissen von klein auf, was die Astronomie ist. Sie wachsen dort hinein. Für Kinder, die in Santiago aufwachsen, ist das natürlich nicht so leicht. 

Diego mit einer Schülergruppe der Escuela María Isabel Peralta aus Cochiguaz – Foto: Claudia Berenguer

Marcelo: Dadurch, denke ich, wird Chile für den Astrotourismus und für die Astronomie ganz allgemein immer wichtig sein. Natürlich auch dadurch, dass wir die großen europäischen Observatorien haben, auch global gesehen, haben die chilenischen Astronomen eine gute Gelegenheit zur Observation und können große Erfolge erzielen. Wir müssen erkennen, dass es hier einen wissenschaftlichen Zweig gibt, in den es sich zu investieren lohnt, der ertragreich ist.

Diego: Und mit jedem Jahr wächst es. Auch das Bewusstsein. Die sozialen Medien sind dabei sehr wichtig. Die Anzahl der Seiten, die sich der Astronomie widmen, steigt. Immer mehr Gruppen im sozialen Netzwerk, verbreiten die Botschaft, in denen es nicht nur mehr um irgendwelche Events geht, sondern, was im Universum entdeckt wurde, oder wann eine Sonnenfinsternis stattfindet usw. Nächstes Jahr zur Sonnenfinsternis z. B. hat sich bereits bei uns eine hundertköpfige Gruppe aus Japan angemeldet. Jetzt müssen wir wohl noch Japanisch lernen. Nein, was ich meine ist, als der Komet Halley 1986 sichtbar war, kannte ihn kaum jemand, alle kümmerten sich nur um ihre Alltagsprobleme. Heute sind diese Dinge im Bewusstsein. Projekte, wie die geplanten Flüge zum Mars sind im Bewusstsein. Der Blickwinkel hat sich geändert.

Marcelo: Wenn es sich im kollektiven Bewusstsein verankert, dann hat es sicherlich eine Zukunft. Wir werden es herausfinden.

Und ihr habt hier einen direkten Draht zum Himmel … . 

Diego: Alle, die hierher kommen, haben ihn, alle. In Deutschland haben sie ihn wohl seltener. Es ist das, worauf wir stolz sind, der Himmel und unser Observatorium.

Die Milchstraße – Foto: Karin Dörpmund

Lieber Marcelo, lieber Diego, vielen lieben Dank für dieses ausführliche Interview, das unserem chilenisches Sternentagebuch diese hochinteressante Nuance schenkt.

Fotos, fachwissenschaftliche Beratung und Redaktion: Lutz J. Dörpmund – Konzeption, Durchführung und Auswertung des Interviews, Übersetzungen aus dem Spanischen und Englischen, Fotos: Karin Cornelia Dörpmund

Quellennachweis:

  1. Karte: http://www.viviendochile.cl/
  2. https://www.thisischile.cl/valle-del-elqui/  (abgerufen: 20190126, um 15:26h)
  3. https://de.wikipedia.org/wiki/Gabriela_Mistral (abgerufen: 20180913, um 16:18h)
  4. Siehe: das chilenische Sternentagebuch, Teil 1, Ausgabe: Januar 2019, Olbers-Magazin
  5. https://www.darksky.org/our-work/conservation/idsp/sanctuaries/aura/ (abgerufen: 20170508, um 19:34h)
  6. https://www.otzerling.com/ (abgerufen: 20181026, um 17:29h)
  7. http://www.elobservatodo.cl/noticia/sociedad/fotos-captan-nuevo-ovni-en-el-valle-de-elqui (abgerufen: 20190426, um 18:18h)
  8. https://es.wikipedia.org/wiki/Realismo_m%C3%A1gico (abgerufen: 20190526, um 15:12h)
  9. http://achaya.cl/
  10. Marcelo bezieht sich vermutlich auf den Einsatz von Elastomeren. Man kann die Bereiche, in denen sie appliziert werden, als Knautschzonen bezeichnen. Nur bestimmte Areale eines Gebäudes werden dann auf diese Art und Weise bei Erdbeben beschädigt, weil die ‚Knautschzone‘ sich plastisch verformen kann.
  11. http://valledeelqui.cl/cronicas2.html   (abgerufen: 20180526, um 22:23h)
  12. Unruhe im Elquital aufgrund der Bergbauprojekte, die die touristischen Aktivitäten und die der Observatorien schädigen.

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